Berühmt-berüchtigte Gefängnisinsel
Alcatraz
In der Bucht von San Francisco liegt keine zwei Kilometer von Fisherman's Wharf entfernt die ehemalige Gefängnisinsel Alcatraz, die heute eine der Hauptattraktionen der gesamten Bay Area ist. Sie wurde 1775 erstmals vom spanischen Forscher Juan Manuel de Ayala betreten. Alcatraz ist spanisch und heißt Pelikan, da auf der Sandsteininsel unzählige dieser Vögel nisteten. Das Eiland ist gerade mal 205 Meter breit und 550 Meter lang (8,5 Hektar). Ihre höchste Erhebung misst 41 Meter.
Der große Goldrausch löste einen enormen Andrang an Schiffen in der Bucht aus. Wegen des dichten Nebels gingen viele von ihnen unter. Deshalb wurde auf Alcatraz 1852 der erste Leuchtturm der Ostküste gebaut. Er konnte allerdings erst zwei Jahre später in Betrieb gehen, weil niemand die aus Frankreich stammende Linse einbauen konnte. 1909 wurde der Leuchtturm durch den bis heute erhaltenen Bau ersetzt.
Von 1853 bis 1859 wurde auf der Insel ein Fort zur Sicherung des Hafens gebaut, das 1861 erstmals als Militärgefängnis für Kriegsgefangene diente. 1903 war es so verfallen, dass es geschlossen werden musste. Die Planungen für einen Neubau begannen 1906, wurden aber vom schweren Erdbeben im gleichen Jahr zurückgeworfen. Es dauerte bis 1911, bis der Neubau abgeschlossen werden konnte.
Erbarmungsloses Knastregime für aufmüpfige und gefährliche Sträflinge
Die Festung wurde 1933 aufgegeben. Am 12. Oktober desselben Jahres begann der Umbau in eine Strafvollzugsanstalt. Am 1. Januar 1934 wurde in den alten Mauern des umfunktionierten Forts das Bundesgefängnis eröffnet. Hierher wurde strafversetzt, wer als unverbesserlich und schwierig galt. Ziel war es die Unruhestifter zu bändigen, damit sie wieder in Gefängnisse auf dem Land verlegt werden konnten. Von Resozialisierung hingegen war nie die Rede. Die durchschnittliche Haftdauer betrug zehn Jahre.
Im großen Bauwerk auf dem höchsten Punkt der Felseninsel befindet sich der Zellentrakt mit vier Blöcken innerhalb einer massiven Schale. Keine der nur 1,52 Meter breiten und 2,74 Meter langen Zellen hat eine Außenwand. Durch Gitter kann man stets hineinblicken. Bis zu 23 Stunden verbachten die Gefangenen auf ihren Einzelzellen. Ein Bett, eine Toilette, ein Waschbecken. Für mehr ist kaum Platz. Höhepunkte im Gefängnisalltag waren die Mahlzeiten und der Spaziergang im Gefängnishof. Um Meutereien zu verhindern bekamen die Insassen ausreichend und gut zu essen, wovon der am Kücheneingang hängende Speiseplan noch heute zu berichten weiß.
Auf Alcatraz herrschte strenge Disziplin. Nirgendwo außer im Speisesaal durfte gesprochen werden. Die Stille war eisig, nur aufgebrochen von den Schritten der Wärter, die schwerbewaffnet auf den Galerien am Ende der Zellenblöcke patrouillierten. Rund um die Uhr brannte das Licht. Sämtliche Briefe wurden gelesen und zensiert. Keiner der Gefangenen wusste, was in der Welt außerhalb der Mauern passierte. So gnadenlos die Bedingungen auch waren, das Schweigegebot trieb die Männer in den Wahnsinn. Leichter war es für jene, die wenigstens arbeiten durften. Doch die Herstellung von Verkehrsschildern war eine Sondervergünstigung, die man sich durch gute Führung verdienen musste.
Gegen Regelbrecher wurden harte Strafen verhängt. Die mehrwöchige Isolationshaft in den sogenannten Dungeons (Kerkern) im Keller unter den Blocks A und D war gefürchtet. Wer im "Kerker" landete bekam streng rationiertes Essen und schlief auf dem blanken Boden. Es gab kein Licht, kein Klo, kein Waschbecken. Schlimmer waren nur die Nacktzellen im berüchtigten Block D, wo die Querulanten ohne Kleidung eingesperrt wurden. Immerhin gab es hier für die Nacht eine Matratze.
Mythos des absolut ausbruchssicheren Gefängnisses
Das eiskalte Wasser und die tückische Strömung rund um die Gefängnisinsel sorgten von Anfang an dafür, dass sie als absolut ausbruchssicher galt. Dass Alcatraz landesweit die einzige Haftanstalt mit Warmwasserduschen war, war keine Entschädigung für harte Haftbedingungen. Der vermeintliche Luxus sollte dafür sorgen, dass sich die Insassen für etwaige Fluchtversuche nicht ans kalte Wasser gewöhnen konnten. Das Hochsicherheitsgefängnis verfügte über alle damals zur Verfügung stehenden technischen Raffinessen. So gab es beispielsweise Metalldetektoren und elektrisch gesicherte Tore. Besucher saßen hinter schusssicheren Scheiben und durften nur über ein Telefon mit den Häftlingen sprechen.
Dennoch hat es in der Geschichte von Alcatraz 14 Fluchtversuche durch insgesamt 34 Gefangene gegeben, zur Zeit des Militärgefängnisses sogar mindestens 29 Versuche mit insgesamt 80 Beteiligten. Die Flüchtigen wurden lebend gefasst, erschossen oder ertranken. Zumindest aber beim Fluchtversuch von drei Insassen am 11. Juni 1962 bestehen an der offiziellen Version des Ertrinkens berechtigter Zweifel, auch weil ihre Leichen nie gefunden wurden. Ihre Geschichte wurde im Film "Flucht von Alcatraz" mit Clint Eastwood verfilmt. Übrigens nur einer von rund 20 Filmen, in denen die Insel im Mittelpunkt steht.
Der Mythos des ausbruchssicheren Zuchthauses wurde im Dezember 1962 dennoch erschüttert. Der Bankräuber John Paul Scott schwamm mit Hilfe von aufgeblasenen Gummihandschuhen über eine Stunde durch das eisige Wasser und wurde später halb erfroren am Festland entdeckt. Zwar wurde er wiederbelebt und zurück auf die Insel gebracht, dennoch hat er es geschafft bis an Land zu schwimmen. Dass in der Bucht menschenfressende Haie ihre Kreise ziehen wurde übrigens nur zur Abschreckung erzählt.
In der Bevölkerung war "The Rock", wie die Häftlinge die Insel nannten, als Hölle auf Erden verschrien. Die Informationspolitik sah vor, dass nichts über das Hochsicherheitsgefängnis nach außen dringen sollte. Der perfekte Nährboden für wilde Gerüchte und hanebüchene Spekulationen. Später berichteten mehrere Häftlinge in Gerichtsprozessen über die Haftbedienungen. Ihre Schilderungen zementierten das Bild von "Hellcatraz" auf "Devil's Island" in der Öffentlichkeit.
Teurer als die Unterbringung im Walldorf Astoria
Durch das aggressive Salzwasser Schritt der Verfall der alten Gemäuer voran. Erst so wurde mancher Ausbruchsversuch überhaupt möglich. Die Instandhaltungskosten stiegen unaufhörlich. Und auch die Betriebskosten waren nicht zu verachten. Schließlich musste selbst das Trinkwasser mit Schiffen nach Alcatraz gebracht werden. Man hatte damals ausgerechnet, dass es günstiger wäre, jedem Häftling ein Zimmer im New Yorker Luxushotel Walldorf Astoria zu buchen. Deshalb wurde das Gefängnis aus Kostengründen kurz nach den geschilderten spektakulären Fluchtversuchen geschlossen. Am 21. März 1963 verließe die verblieben 27 Häftlinge unter den Augen dutzender Journalisten, Fotografen und Kameraleute die Insel und wurden auf andere Vollzugsanstalten verteilt.
Insgesamt 1.576 Gefangene waren auf Alcatraz inhaftiert, nie mehr als 300 gleichzeitig. Unter ihnen befanden sich so bekannte Gangster wie Alvin "Creepy" Karpis, Machine Gun Kelly und Robert Franklin Stroud, der auf der Insel zum Vogelkundler wurde und als "Birdman of Alcatraz" bekannt wurde. Mit Erich Gimpel war sogar ein deutscher Spion inhaftiert. Berühmtester aller Insassen war aber natürlich Al Capone, der in Chicago die Mafia anführte.
Seit der Gefängnisschließung ist die Insel unbewohnt. Vorher lebten hier auch die Aufseher mit ihren Familien, insgesamt rund 300 Zivilisten, darunter 80 Kinder. Nachdem das Eiland kurzzeitig von Indianer besetzt wurde und der Versuch scheiterte, hier ein Kasino anzusiedeln, wurde Alcatraz als Teil der Golden Gate National Recreation Area unter die Verwaltung des National Park Service gestellt. Seit 1972 ist die weltberühmte Gefängnisinsel der Öffentlichkeit zugänglich. Weit über eine Millionen Besucher kommen heute pro Jahr.
Bei einem Rundgang auf Alcatraz kann man unter anderem die Gefängnisbibliothek, den Gefängnishof, den Kontrollraum der Wärter, den Speisesaal und natürlich den Zellentrakt besichtigen. Manche Zellen stehen offen, andere sind originalgetreu hergerichtet. Ein Audioguide (auch in deutscher Sprache) ist im Preis inbegriffen. Es werden nicht nur Informationen vermittelt, ehemalige Insassen erzählen auch von ihren Erlebnissen. Eine kleine Ausstellung informiert über die Geschichte der Insel. Zusätzlich zu den Tagestouren werden Nachttouren angeboten.
Besucher können sich auf der Insel fast überall frei bewegen und sie auf eigene Faust erkunden. Erst kürzlich wurden auch die historischen Gärten, die einst von Häftlingen angelegt wurden, nach alten Fotos und Zeichnungen rekonstruiert. Bis heute ist Alcatraz ein Vogelschutzgebiet. Auch der Blick von der Insel aufs Festland ist nicht zu verachten.