Sixtinische Kapelle (Cappella Sistina)
Die Sixtinische Kapelle liegt unmittelbar nördlich des Petersdoms und ist mit diesem über die Scala Regia verbunden. Sie wurde zwischen 1475 und 1483 nach Plänen von Baccio Pontelli errichtet. Papst Sixtus IV., der zugleich Auftrag- und Namensgeber war, wollte dort wo im Mittelalter die Cappella Magna stand, einen Ort schaffen, wo sich der päpstliche Hof bei Sitzungen versammeln konnte.
Der Entwurf des Architekten Pontelli verwendete die mittelalterlichen Mauern bis zu einem Drittel ihrer Höhe. Gemäß einigen Wissenschaftlern entspricht der rechteckige Kapellenraum mit seinen Proportionen (13,40 Meter breit, 40,23 Meter lang und 20,70 Meter hoch) dem des großen Salomontempels in Jerusalem, der 70 n. Chr. von den Römern zerstört wurde.
Der aufwendige Mosaikboden der Sixtinischen Kapelle wurde nach mittelalterlichen Motiven gearbeitet und ist bis heute intakt. Bogenfenster sorgen für ausreichenden Lichteinfall und das flache Tonnengewölbe verbindet sich mit den Seitenwänden durch Lünetten und Stichkappen.
Eine elegante Chorschranke trennt den dem Klerus vorbehaltenen Altarraum vom Bereich für die Laien. Ende des 16. Jahrhunderts wurde sie zurückversetzt, um den Raum für die Geistlichen zu vergrößern. Auf der rechten Seite befindet sich die Sängerkanzel, die einst den Chorknaben Platz bot. Sowohl Schranke als auch Kanzel sind Werke von Andrea Bregn, Giovanni Dalmata und Mino da Fiesole.
Meisterhafte Wandbemalung
Nachdem 1481 die architektonische Struktur der Sixtinischen Kapelle vollendet war, berief Sixtus IV. die berühmten italienischen Renaissancemaler Botticelli, Ghirlandaio, Perugino, Pinturicchio, Rosselli und Signorelli um die künstlerische Wandgestaltung der Kapelle zu übernehmen. Dafür wurden die Wände in drei horizontale Abschnitte unterteilt.
Der untere Teil zeigt in Freskentechnik gemalte Damastvorhänge, die mit dem päpstlichen Wappen von Sixtus IV. versehen sind.
Im mittleren und wichtigsten Teil sind biblische Szenen aus dem Leben Christi und dem Leben Moses dargestellt, die beide als Retter der Menschheit angesehen werden. An der Südwand (links vom "Jüngsten Gericht") sind Szenen aus dem Alten, an der Nordwand aus dem Neuen Testament zu sehen. Zwischen den jeweiligen Szenen besteht eine dogmatische Beziehung. Das Band besteht heute aus zwölf Bildern, zwei wurden zugunsten von Michelangelos "Jüngstem Gericht" zerstört. Obwohl es sich um Meisterwerke hohen Rangs handelt, stehen die Fresken im Schatten von Michelangelos weltberühmter Decke und dem "Jüngsten Gericht".
Im oberen Bereich ließ Sixtus IV. die Wandpartien zwischen den Fenstern von 24 idealisierten und ganzfigurigen Papstporträts schmücken, um so die Kontinuität seines Mandates mit seinen Vorgängern zu zeigen. Die einzelnen Bilder werden in allen drei Zonen vertikal von reich verzierten Lisenen begrenzt.
Der einer mittelalterlichen Burg ähnelnde, zinnbewehrte Außenbau der Sixtinischen Kapelle erklärt sich daraus, dass sie in die Befestigungsanlage des Vatikans einbezogen wurde. Eingeweiht wurde die heute wohl berühmteste Kapelle der Welt am 15. August 1483 vom Pontifex persönlich, der sie der in den Himmel aufgefahrenen Jungfrau Maria widmete.
Michelangelos weltberühmtes Deckengemälde
1508 beauftragte der Neffe von Sixtus IV., der unternehmungsfreudige Papst Julius II., Michelangelo Buonarroti die bis dahin von dem Maler Pier Matteo d'Amelia blaugrundierte und mit goldenen Sternen verzierte Decke zu freskieren. Julius II. gab Michelangelo damit einen Vertrauensvorschuss, den der war damals noch kein berühmter Künstler, sondern ein aufstrebender Nachwuchsbildhauer. Als solcher fühlte er sich auch berufen und unterzog sich der Malerei nur ungern. Dennoch gelang es ihm das Deckengewölbe mit einer Fläche von 800 Quadratmetern innerhalb von nur vier Jahren ganz allein in ein Meisterwerk zu verwandeln, nach dem sich seither jeder Kopf bewundernd reckt, der die Cappella Sistina besucht.
Das ikonographische Programm knüpft an die Themen der Seitenwände an und zeigt die Schöpfungsgeschichte, das lange Warten der Menschheit auf das Erscheinen Christi sowie die Prophezeiungen, die dieses Ereignis verkünden. Michelangelo schuf eine illusionistische Architekturkulisse, die er mit Fresken ausmalte. Die Bildkomposition weist mehrere Realitätsebenen und Sinnschichten auf. Berühmtestes Einzelfresko ist "Die Erschaffung Adams", bei der Gott Adam mit ausgestrecktem Zeigefinger zum Leben erweckt.
Die größten Figuren des Deckenfreskos sind bis zu sechs Meter groß. Michelangelo entwickelte eine Technik, bei der er die auf Karton skizzierten Figuren an den wichtigsten Stellen, insbesondere den Konturen, mit kleinen Löchern versah. Den gelochten Entwurf legte er auf den noch feuchten Putz und pauschte die Skizze mit dem durch die Löcher rieselnden Kohlestaub quasi ab. Ein zwar sehr zeitaufwendiges, aber auch präzises verfahren.
Doch Michelangelo stand unter Zeitdruck. Der Pontifex war im fortgeschrittenen Alter, wollte aber unbedingt, dass das Deckengemälde vor seinem Ableben fertiggestellt würde. Deshalb ersetzte Michelangelo die Nadel durch ein scharfes Instrument, mit dem er die Linien im Entwurf direkt auf den Putz übertragen konnte.
Michelangelo Buonarroti arbeitete 18 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, stets von einem Gerüst aus, wobei er ständig den Hals recken musste. Farbe tropfte ihm in die Augen. Julius II. fragte Michelangelo beinahe täglich, wann sein Kunstwerk fertig werden würde. Michelangelos berühmte Antwort darauf war stets gleich: "Wenn es fertig ist." Zornergriffen von der nichtssagenden Antwort nahm Julius II. nicht selten seinen Stock zur Hand und schlug wütend auf Michelangelo ein.
Trotz der widrigen Umstände ist es dem jungen Künstler gelungen seine fast 300 Figuren dreidimensional darzustellen. Die lebensechten Darstellungen scheinen trotz der widersprüchlichen Neigung von Decke und Figuren unglaublich plastisch. Mit seiner Freskenmalerei ist es ihm gelungen die Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen. Michelangelo setze sich mit diesem Werk seine eigenen Maßstäbe, sowohl künstlerisch als auch menschlich.
Nur dank seiner Begabung, seiner Entschlossenheit uns seiner körperlichen Ausdauer ist es ihm gelungen ein solch hochwertiges Kunstwerk in einer solch rekordverdächtigen Zeit zu erstellen. Dank dieser Arbeit trägt Michelangelo bis heute weit mehr Verantwortung für die Erhebung des Künstlerstandes als jeder andere Künstler der Weltgeschichte.
Nach Fertigstellung des Deckengemäldes wurde die Kapelle am 1. November 1512 feierlich von Papst Julius II. ein zweites Mal eingeweiht.
"Das Jüngste Gericht"
Rund 20 Jahre nach Vollendung des Deckenfreskos, im Jahr 1532, beauftragte Papst Clemens VII. Michelangelo nun auch die Altarwand der Cappella Sistina zu freskieren. Auch diesmal nahm der inzwischen siebzigjährige Meister den Auftrag nur wiederwillig an. Mit den Arbeiten für "Das Jüngste Gericht" begann der gealterte Künstler allerdings erst 1536 unter dem nachfolgenden Papst Paul III.
Schon vor der Fertigstellung 1541 sorgte das monumentale Wandgemälde ob der figürlichen Nacktheit für Stirnrunzeln. Im Vatikan erwog man ernsthaft, das Fresko auf der Stirnwand sofort zu übertünchen, enthüllte es dann jedoch unverändert am 13. Oktober 1541 innerhalb einer feierlichen Zeremonie.
Erst nach Michelangelos Tod ließ seine Heiligkeit Papst Pius IV., der die zur Schau gestellten Genitalien im Palast des Papstes als Beleidigung empfand, die anstößigen Stellen übermalen. Daniele da Volterra, ein Schüler Michelangelos, unterzog sich dieser undankbaren Aufgabe, meisterte sie aber so geschmackvoll wie möglich.
Doch nicht nur "Das Jüngste Gericht" war von der Empörung Pius IV. betroffen. Der Pontifex erließ ein offizielles Dekret ("Pictura in Cappella Ap.ca coopriantur"), das keine nackten Genitalien mehr in der Bildenden Kunst erlaubte. Als Folge mussten auch hunderte antike Statuen in den Vatikanischen Museen mit strategisch positioniertem Laub versehen werden. Die Zensur der Nacktheit ging als Feigenlaubkampagne in die Geschichtsbücher ein.
Zwischen 1980 und 1994 wurden das Deckenfresko und "Das Jüngste Gericht" aufwendig restauriert. Allein die Restaurierung der Decke nahm mit zwölf Jahren dreimal so viel Zeit in Anspruch wie die Bemalung durch Michelangelo. Nachdem eine dicke Schicht aus Ruß und Staub entfernt wurde, trat eine ungeahnt starke Farbigkeit zu Tage. Bis dahin glaubte man, Michelangelo habe mit gedeckten Farben gemalt. Doch nachdem viel frischere, hellere, ja fast schrille Farben zum Vorschein kamen, waren seitenweise kunsthistorische Interpretationen Makulatur. Durch die Restaurierung gewann Michelangelos Meisterwerk an Ausstrahlung und Lebendigkeit, viele Details und plastische Züge kommen seither besser zur Geltung.
Als die Restaurierung des "Jüngsten Gerichts" anstand, überlegte man, ob Michelangelos Werk wieder in seinen Originalzustand zurückversetzt werden sollte, also ob man die den Intimbereich überdeckenden Lendentücher und Schleier entfernen sollte. Schließlich entschied man sich dazu, die von Daniele da Volterra ausgeführten Eingriffe als sichtbares Zeugnis einer geschichtlichen Epoche beizubehalten.
Schauplatz des Konklaves
Seit 1870 ist die Sixtinische Kapelle der Ort, an dem die eingeschlossenen Kardinäle aus aller Welt den Papst wählen. Das Konklave gilt als die geheimste Versammlung der Welt. Abgeschottet von der Außenwelt geben die Kardinäle so lange ihre Stimme ab, bis sie gemäß der Mehrheitsverhältnisse einen neuen Pontifex gewählt haben.
Während die Türen zur Kapelle früher sogar zugemauert wurden und die Wahlmänner in der Sixtina sogar aßen und schliefen, bedient man sich heute moderner Störsender, um die Verschwiegenheit der Wahlberechtigten zu garantieren.
In aufgestellten Öfen werden nach einem jeden Wahlgang die Stimmzettel verbrannt. Steigt schwarzer Rauch über der Sixtinischen Kapelle auf, wurde noch kein neuer Papst gewählt. Steigt jedoch weißer Rauch auf, wissen Gläubige aus aller Welt, dass es einen neuen Stellvertreter Jesu Christi auf dem Stuhl Petri gibt.
Nach seiner Wahl wird der neue Papst in das "Zimmer der Tränen" geführt, das direkt an die Sixtinische Kapelle grenzt. Hier bekommt er seine weißen Gewänder und so mancher Würdenträger soll hier angesichts seiner neuen großen Herausforderung und Verantwortung Tränen vergossen haben.
Beeindruckt von den grandiosen Kunstwerken und der Bedeutung bei der Papstwahl zieht es jährlich Millionen Menschen in die Sixtinische Kapelle. Sie ist im Rahmen der Vatikanischen Museen zu besichtigen, steht jedoch am Ende des langen Museumsrundgangs.
Weil die Kapelle ein heiliger Ort ist, darf sie nur in angemessener Kleidung (unangemessen sind Hüte, ärmellose Oberbekleidung, kurze Hosen und Miniröcke) betreten werden. In der Sixtina darf weder fotografiert noch gesprochen werden. Dennoch gibt es aufgrund der Menschenmassen einen erhöhten Geräuschpegel.
Tipp: Sixtinische Kapelle in Ruhe genießen
Die Sixtinische Kapelle ist für die meisten Besucher der Vatikanischen Museen der unangefochtene Höhepunkt, weshalb sie stets voller Staunender ist. Wer die kunstvollen Malereien in Ruhe genießen will, sollte sofort nach der Öffnung der Museen in die Kapelle eilen.
Bis die ersten Besucher sich durch die unzähligen Ausstellungsräume bis zur Sixtina vorgearbeitet haben, ist man eine ganze Weile fast allein. Weniger los ist im Sommer, während der Mittagsstunden und während der Papstaudienz am Mittwochvormittag.