Castel Gandolfo
Etwa 25 Kilometer südöstlich von Rom liegt Castel Gandolfo, das sowohl der Name einer idyllischen Ortschaft als auch der Name der Sommerresidenz des Papstes ist. Das 9.000 Einwohner zählende Örtchen in den Albaner Bergen thront oberhalb des Albaner Sees (it. Lago Albano). Der See ist zwar nach der benachbarten Stadt Albano Laziale benannt, gehört aber offiziell zu Castel Gandolfo. Das etwa sechs Quadratkilometer große Gewässer entstand genau wie der benachbarte Nemisee (it. Lago di Nemi) aus einem Vulkan. Im Sommer sind beide Kraterseen beliebte Zufluchtsorte hitzegeplagter Römer, die hier baden oder Wassersport betreiben.
Bekanntester Vertreter der römischen Sommerflüchtlinge ist der Heilige Vater, der jedes Jahr gemeinsam mit seiner engsten Gefolgschaft nach Castel Gandolfo reist und für einige Wochen in der päpstlichen Sommerresidenz wohnt. Schon die römischen Kaiser wussten das kühle Bergklima zu schätzen. Kaiser Domitian ließ sich hier einen Palast errichten, der später Adelssitz der bis heute namensgebenden Familie Gandolfi und dann der Savelli war. Die Residenz wurde von Papst Clemens VIII. 1596 beschlagnahmt und von 1624 bis 1629 unter Urban VIII. zum Papstpalast umgebaut. Er war der erste Pontifex, der hier einen Urlaub verbrachte.
Größer als die Vatikanstadt
Im Laufe der Jahre wurde das Anwesen um zugekaufte Grundstücke und Villen erweitert. Jahr für Jahr reisten die Päpste nach Castel Gandolfo, bis 1870 das Ende des Kirchenstaates kam, an dessen Spitze der Pontifex als absolutistischer Herrscher stand. Viktor Emanuel II. eroberte Rom und der seinerzeit amtierende Pius IX. verschanzte sich als freiwilliger Gefangener im Vatikan. Castel Gandolfo verfiel für 60 Jahre in einen Dornröschenschlaf.
Erst die Lateranverträge im Jahre 1929 zwischen Benito Mussolini und Papst Pius XI. sicherten dem Vatikanstaat seine Souveränität. Castel Gandolfo wurde wieder zur Sommerresidenz des Heiligen Stuhls. Dank weiterer Zukäufe erreichte das Anwesen seinen heutigen Umfang, der aus nunmehr drei Villen auf 55 Hektar Land besteht. Damit ist die Sommerresidenz deutlich größer als die Vatikanstadt. Genau wie der Vatikan gehört der Sommersitz nicht zu Italien, sondern ist exterritoriales Gebiet, vergleichbar mit dem Status einer Botschaft.
Zufluchtsort für Kriegsgeplagte
1934 zog die Vatikanische Sternwarte aus den Vatikanischen Gärten in die Gärten von Castel Gandolfo. In der Ewigen Stadt ist es aufgrund der vielen elektrischen Lichter zu hell geworden. Im Frühjahr 1944 suchten tausende Einwohner der umliegenden Orte in der Papstresidenz Schutz vor den alliierten Bombenangriffen. Das Territorium des neutralen Vatikanstaates galt als unverletzlich und sicher vor Angriffen. Dennoch traf eine Fliegerbombe den Sommersitz. Über 500 Tote wurden aus den Trümmern geborgen.
Etwa zur gleichen Zeit glichen die Papstgemächer einer Entbindungsstation. Schwangere Flüchtlingsfrauen hatten in den zur Geburtsstation umfunktionierten Privatgemächern von Pius XII. Zuflucht gefunden. Etwa 40 Kinder kamen in Castel Gandolfo zur Welt, einige sogar im Schlafzimmer des Papstes.
Landwirtschaft und Urlaubsort für den Papst
Die prächtige Gartenanlage der Sommerresidenz umfasst etwa 30 Hektar. Auf weiteren 25 Hektar wird Landwirtschaft betrieben. Auf einem Großteil dieser Fläche werden Orangen angebaut. Schon Pius XI. lies Gewächshäuser und Viehställe anlegen, die es dem Vatikan ermöglichten, sich selbst mit Lebensmitteln zu versorgen. Bis heute lassen sich die Päpste Eier, Gemüse, Milch und Obst vom eigenen Bauernhof schmecken. Ein Imker sorgt für frischen Honig. Aufgrund der Vulkanaktivitäten ist Castel Gandolfo eine besonders fruchtbare und grüne Gegend.
Johannes Paul II. war der erste Papst, der die Residenz für sportliche Aktivitäten nutzte. Er spielte Tennis, unternahm ausgedehnte Wanderungen und zog seine Bahnen im eigens für ihn errichteten Schwimmbad. Unternehmungen, die einem Papst nur im von der Öffentlichkeit völlig abgeschotteten Sommersitz möglich sind. Dennoch gelang es einem Paparazzo 1981 Johannes Paul II. abzulichten, als er gerade, nur mit einer Badehose bekleidet, in seinen Pool stieg.
Weil der Apostolische Palast, der sowohl die päpstlichen Privatgemächer als auch die Repräsentationsräume beherbergt, aber mitten im Herzen von Castel Gandolfo liegt, kommen Besucher und Einwohner ganz nah heran an den Heiligen Vater. Der schlichte Barockbau, der das Zentrum der Anlage von Castel Gandolfo bildet, liegt am Kopf der Piazza della Libertà. An dem malerischen Platz im Kern der Gemeinde liegen auch die Post, das Rathaus und natürlich die Kirche San Tommaso.
Abgeschieden und doch mittendrin
So wie die Sommerresidenz geht auch San Tommaso auf den bedeutenden Architekten und Bildhauer Gian Lorenzo Bernini zurück. Das große Eingangstor zum Apostolischen Palast bleibt bei Anwesenheit des Papstes geöffnet, um zu zeigen, dass der Pontifex sich nicht vor der Ortschaft und ihren Bewohnern verschließt. Und deshalb ist das Oberhaupt der katholischen Kirche für die Bürger von Castel Gandolfo einer der ihren.
Ohne die Päpste, die den Palast Castel Gandolfo seit nunmehr über 400 Jahre als Sommerresidenz nutzen, wäre die Gemeinde Castel Gandolfo nicht so bekannt, schön und wohlhabend, wie sie es heute ist. Während sich der Stellvertreter Christi in der weitläufigen Gartenanlage die Beine vertritt und dabei den Ausblick auf Meer, See und sogar die Kuppel des Petersdoms genießt, nutzen Pilger die direkte Bahnverbindung von Rom nach Castel Gandolfo um ihrem Oberhaupt ganz nah zu sein. Dieser bedankt sich bei den Gläubigen mit Audienzen, die während der Sommermonate im überdachten Innenhof des Palastes abgehalten werden.
Bis 2014 waren weder die Gärten noch die Villen von Castel Gandolfo öffentlich zugänglich. Weil Franziskus jedoch der erste Papst seit vielen Jahren war, der das Anwesen nicht regelmäßig nutzen wollte, lies er die Gärten für Besucher öffnen.