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Karlsbrücke (Karlův most)

Keine europäische Steinbrücke ist älter als die Karlsbrücke in Prag, keine gotische Brücke in Europa ist länger. Sie verläuft über die Moldau und verbindet die Altstadt mit der Kleinseite. Trotz ihres Alters war sie nicht die erste Brücke, die die beiden Prager Stadteile verband. Stattdessen lies Karl IV., tschechischer König und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, die Brücke als Ersatz für die 1172 errichtete und 1342 von einem Hochwasser zerstörte Judithbrücke erbauen. 400 Jahre lang war die Karlsbrücke die einzige Verbindung zwischen Altstadt und Kleinseite.

Die Grundsteinlegung für die Karlsbrücke, die übrigens erst seit 1870 so heißt und vorher schlicht Prager Brücke oder Steinbrücke genannt wurde, fand 1357 statt. Genauer gesagt am 9. Juli 1357 um 05:31 Uhr, so zumindest will es die Legende. Angeblich soll Karl IV. seinen Hofastrologen beauftragt haben den idealen Termin für den Baubeginn zu ermitteln. Die Zahlen des Termins hintereinandergeschrieben ergeben die Reihe 1-3-5-7-9-7-5-3-1 (Jahr, Monat, Tag, Uhrzeit). Ein Palindrom, das von vorn und von hinten gelesen dasselbe ergibt.

Brücke voller Legenden

Wie das mit Legenden nun mal so ist, ist wenig dran an der Geschichte. Das liegt schon allein daran, dass die Menschen im Mittelalter noch gar nicht in der Lage waren die Zeit auf Stunde und Minute genau zu messen. Gestrickt wurde die Story im 19. Jahrhundert von tschechische Patrioten der Bewegung "Nationale Wiedergeburt". Hieran allerdings war ein Astrologe beteiligt: Er errechnete, wann im Jahr 1357 der Aszendent zum Sternzeichen Löwe, dem Wappentier Böhmens, am günstigsten stand. Und das war eben am 9. Juli um 05:31 Uhr.

Schon mehr dran ist an der Überlieferung, dass Peter Parler aus Schwäbisch Gmünd, der schon den Veitsdom baute, von Karl IV. zum leitenden Architekten für den Brückenbau ernannt wurde. Fakt ist, dass er auf jeden Fall maßgeblich daran beteiligt war. Neuste Theorien bringen aber auch einen Steinmetzen namens Otto ins Spiel. So ist das eben mit Bauwerken, die schon einige Jahrhunderte auf dem Buckel haben. Ihre Baugeschichte kann nicht immer lückenlos nachvollzogen werden.

Errichtet wurde die 516 Meter lange und zehn Meter breite Karlsbrücke nach dem Vorbild der Steinernen Brücke von Regensburg, der ältesten Brücke Deutschlands. Als Materialien wurden Granit aus dem Flussbett, alten Mühlensteine und Sandstein ehemaliger Brücken verwendet. Dass der Mörtel zur Steigerung der Stabilität mit Eiern angereichert wurde ist wieder mal Legende. Quark und Wein hingegen konnten die Wissenschaftler tatsächlich nachweisen. Vielleicht sind es ja wirklich diese Zutaten, die die fast symmetrische Bogenbrücke mit insgesamt 16 Bögen viele Jahrhunderte haben überstehen lassen.

Zeitzeuge der tschechischen Geschichte

Im Laufe ihrer Geschichte war die Karlsbrücke jedenfalls ständig Bedrohungen ausgesetzt. Eisgang und Flutwellen setzten ihr schwer zu. Sie ist aber nicht nur Zeuge regelmäßiger Wetterkapriolen, sondern auch tschechischer Gesichte. Böhmische König überschritten das Bauwerk auf dem Weg zur Krönung, Prager Studenten wehrten sich auf ihm im Dreißigjährigen Krieg gegen den Einfall der Schweden auf die Kleinseite und Hitlers Wehrmacht marschierten auf ihm hinauf zum Hradschin.

Begrenzt wird die Karlsbrücke am westlichen Ende vom Kleinseitner Brückenturm und im Osten vom Altstädter Brückenturm. Beide Türme können besichtigt werden. Die ersten 300 Jahre kam die Brücke, die Prag zu einer bedeutenden Station im Handel zwischen Ost- und Westeuropa machte, relativ schlicht daher. Sie verfügte über keinerlei plastischen Schmuck. Ihre heutige Gestalt bekam sie ab dem 18. Jahrhunderts, als die 30 barocken Skulpturen mit 58 Statuen und Reliefs aufgestellt wurden. Auf jedem Bogenpfeiler stehen sich zwei davon gegenüber.

Bildhauerische Meisterwerke als Brückenschmuck

Die erste Statue wurde 1683 aufgestellt und zeigt den heiligen Johannes Nepomuk. Angeblich starb Nepomuk, Generalvikar im Veitsdom, weil er sich lieber zu Tode foltern lies als das Beichtgeheimnis zu brechen. Diese Geschichte ist - Sie werden es schon ahnen - wohl frei erfunden, diesmal von der Kirche. Wahrscheinlicher ist, dass er sich im Streit um die kirchliche und weltliche Macht gegen den König stellte. Weil er sich Befehlen widersetzte wurde Nepomuk auf Anweisung von Wenzel IV. 1393 gefoltert und schließlich von der Karlsbrücke in die Moldau gestürzt und ertränkt. Genau an der Stelle, an der heute seine Skulptur steht.

Weil es Glück bringen und die Rückkehr nach Prag sicherstellen soll, berühren täglich tausende Menschen die Bronzereliefs am Sockel der Staute, wovon eins den Brückensturz darstellt. Entsprechend glänzen die Reliefs an einigen Stellen. Nepomuks Nachbarn sind Apostel, Inquisitoren, Kirchengelehrte, Märtyrer, Schutzpatrone und Sünder, außerdem sieben Engel, ein Hirsch, ein Hund, drei Könige, zwei Löwen, vier Ungläubige und ein weinender Teufel.

Hätten Sie's gewusst?

Wie in alten Zeiten entzündet ein Lampenwärter im historischen Kostüm die Gaslaternen auf der Karlsbrücke. Allerdings nur in der Vorweihnachtszeit, ansonsten werden die Laternen ferngezündet. Nachdem die Gasbeleuchtung 1985 aus Prag verschwunden war, wurde Anfang des 21. Jahrhunderts damit begonnen in der Altstadt wieder mehrere hundert Gaslaternen zu errichten.

Die Steinheiligen sind alle aus böhmischem Sandstein gearbeitet und wurden von Fakultäten, Klöstern und Ratsherren gestiftet. Sie sind ausnahmslos bildhauerische Meisterwerke, weswegen auf der Karlsbrücke heute nur noch Repliken stehen. Die Originale können im Lapidarium bewundert werden. Dass die Kopien eine gute Idee waren, zeigen immer wieder betrunkene Vandalen, die den Figuren zum Beispiel Finger abbrechen. Aber auch Umwelteinflüsse wie Hochwasser haben zu der Entscheidung beigetragen.

Steinheilige sollten Ungläubige abschrecken

Nachdem Böhmen nach dem Dreißigjährigen Krieg Hochburg protestantischer Rebellen wurde, sollten die Brückenfiguren Ungläubige einschüchtern und sie auf den rechten, also katholischen Pfad zurückführen. Um das nationale Element zu betonen, musste in jeder Skulpturengruppe mindestens ein Tscheche oder zumindest ein Slawe vertreten sein. Ein Quotenheiliger für den Büßerlaufsteg des Schreckens sozusagen. Wer in Stein gemeißelt auf die Brücke kam bestimmten die Jesuiten im Clementinum.

Ihrem eigentlichen Zweck kann die Karlsbrücke heute kaum noch nachkommen. Kein Prager würde sie jemals nutzen um schnell vom einen zum anderen Ufer zu gelangen. Dafür ist das Wahrzeichen einfach viel zu voll, egal zu welcher Uhrzeit. Jährlich schieben sich so viele Passanten über das Baudenkmal wie ganz Tschechien Einwohner hat. Also rund 10,5 Millionen. Viele davon wollen auch den malerischen Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang auf der Karlsbrücke genießen. Im Sommer ist man auch nachts nie allein, im kalten Winter stehen die Chancen schon besser. Vorausgesetzt man kommt sonntags um fünf Uhr.

Bis 1950 fuhr noch die Tram über die Karlsbrücke und hat ihr genauso sehr zugesetzt wie die vielen Autos, die erst 1961 verboten wurden. Nach der Wende kamen die Händler und bauten auf der Brücke ihre Stände für Ramsch aller Art auf. Dass die Geldschneiderei dem nationalen Kulturdenkmal nicht würdig ist, erkannte dann auch irgendwann die Stadt und vergibt seit Jahren keine Lizenzen mehr für Straßenhändler auf der Karlsbrücke. Wer aber noch eine hat, darf weiterverkaufen. Irgendwann also soll die Brücke von diesem kommerziellen Fluch tatsächlich befreit sein.

Trotz allem: Die Karlův most gehört nicht umsonst zum Pflichtprogramm in Prag. Sie ist der direkte Weg in die Seele der Prager. Ein Ort, der schon immer beeindruckte und verzauberte. Albert Einstein, der 1911 für ein Jahr an der Prager Karlsuniversität als Gastdozent lehrte, sagte über sie: "Der Weg zum Mond führt über die Karlsbrücke, dann beim Kleinseitener Brückenturm nach links abbiegen." Probieren Sie es doch mal aus!

Weitere Informationen

Kontakt

Adresse
Karlův most
110 00 Praha
Tschechien

Verkehrsanbindung

Metrostationen
Malostranská, Staroměstská
Straßenbahnhaltestellen
Karlovy lázně, Malostranské náměstí

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