Bahia-Palast (Palais de la Bahia)
Der Palais de la Bahia liegt im südlichen Teil der Medina am Nordende der Mellah, dem jüdischen Viertel, das zum Schutz seiner Bewohner üblicherweise in der Nähe der Machthaber lag. Erbaut wurde die riesige Anlage in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von zwei sich nahestehenden Männern in zwei maßgeblichen Akten. Den ältesten Gebäudetrakt ließ Si Moussa, ein hochrangiger Berater des Sultans, in den 1860-Jahren errichten. Sein Sohn Bou Ahmed, der von 1894 bis 1900 Großwesir war, ließ die Palastanlage erheblich erweitern, unter anderem um einen Garten, ein Hamam und eine Moschee. Die Arbeiten wurden von den besten Handwerkern des Landes erledigt, die damals extra aus Fès geholt wurden.
Erst Haremsheim, dann Sitz der Protektoratsverwaltung
Bou Ahmed war es auch, der den Palast angeblich nach seiner Lieblingsfrau benannte. Bahia heißt so viel wie "Die Glanzvolle" oder "Die Strahlende". Bou Ahmed soll hier mit vier Frauen und bis zu 80 Konkubinen gelebt haben. Normalerweise ist Muslimen jeder außereheliche Geschlechtsverkehr streng verboten. Doch eine Ausnahme gewährt der Koran: Eine sexuelle Beziehung mit einer Sklavin, die sich im festen Besitz des Mannes befindet. Bedient und unterhalten wurde der Harem von Eunuchen, also kastrierten Männern, die ihrem Herrn keine "biologischen" Rivalen mehr waren. Sowohl die Eunuchen als auch die Konkubinen waren gesellschaftlich schlecht angesehen.
Nach dem Tod des Großwesirs Bou Ahmed, der vom Herrscher, dem Alawiden-Sultan Abd al-Aziz, als Regierungschef eingesetzt wurde und damit quasi der zweite Mann im Staate war, wurde der Komplex während der Protekoratszeit zum Sitz der französischen Protekoratsverwaltung. Eine Kolonie war Marokko übrigens nie. Heute befindet sich der Bahia-Palast im Eigentum des Königs. Ein Großteil der rund 160 Zimmer kann besichtigt werden, viele sind in ihrer orientalischen Pracht kaum zu überbieten.
Andalusisch-maurische Palastarchitektur
Der im andalusisch-maurischen Stil errichtete Palast vereint alle Merkmale islamischer Baukunst. Dazu zählen beispielsweise die strenge Symmetrie, Sichtachsen, die die Räume gliedern, kleinteilig verzierte Kacheln, der traditionell polierten Tadelakt (Kalkputz) sowie das Spiel mit den Elementen Licht und Wasser. Unverzichtbar auch die hellen Innenhöfe, die im Bahia-Palast oft mit Marmor ausgekleidet sind. Manche wirken eher kahl und leer, andere sind üppig begrünt. Besonders beeindruckend ist der 1898/99 vollendete, 50 mal 30 Meter messende und von 52 Holzkolonnaden umringte Ehrenhof (Cour d'honneur), von dem weitläufige Zimmerfluchten abführen.
Die wahre Schönheit der marokkanischen Baukunst liegt im Detail. Um die gewaltigen, farbig bemalten Holzportale, die detailliert geschnitzten Zedernholzdecken, die phantasievolle Mosaiken und aufwendigen Stuckverzierungen auf sich wirken zu lassen, braucht man Zeit. Umso verkraftbarer ist es, dass die zur Besichtigung freigegebenen Räume heute alle unmöbliert sind. Wer sich die Geschichte dieses Ortes vor Augen hält, der wird dennoch nachvollziehen können, wie hier einst Rapporte diktiert, Gesandte empfangen, Feste gefeiert, Pläne erörtert, Exzesse begangen und Intrigen eingefädelt wurden.
Gärten, die das Paradies symbolisieren sollen
Die Zeiten der großen Politik sind vorbei, doch noch immer dient die wunderschöne Kulisse des Palais de la Bahia dem Empfang von Staatsgästen, die hier auch übernachten dürfen. Was für ein unglaubliches Erlebnis muss es sein, den wie ein Labyrinth verzweigten Palastbau und die großzügigen Gärten für sich allein zu haben, wenn die Touristenmaßen verschwunden sind. Der bezaubernde Park mit Bananenstauden und Springbrunnen nimmt einen großen Teil der insgesamt 80.000 Quadratmeter umfassenden Anlage ein. Er ist nicht nur vom Duft der Orangen und Zypressen erfüllt, sondern auch von Ruhe.
Die Schriftstellerin Edith Wharton übernachtete im Gemach der einstigen Lieblingskonkubine und schwärmte anschließend in ihrem Buch "In Marokko*" (1920) von "Blüten und Schatten und plätscherndem Wasser". Auch Hollywood nutzte die orientalische Palastschönheit und drehte hier unter anderem Szenen für den mit sieben Oscars prämierten Film "Lawrence von Arabien*" (1962). Und selbst Rapper wissen die Aura des Bahia-Palastes zu schätzen. Puff Diddy veranstaltete hier 2001 eine millionenschwere Partysause mit Stars und Sternchen.