Windsor Castle
Etwa 35 Kilometer westlich von London liegt Windsor Castle, das älteste und größte durchgängig bewohnte Schloss der Welt. Das englische Versaille, wie es oft genannt wird, geht auf Wilhelm den Eroberer zurück, der das Grundstück den Mönchen von Westminster Abbey abkaufte. Ab 1078 ließ er hier auf einem Kreidefelsen über der Themse eine Holzburg errichten, New Windsor. Das kleine Dorf Old Windsor, das nur drei Kilometer vom Schloss entfernt liegt, ist 300 Jahre älter. Erst 1974 wurde das mittlerweile zur ansehnlichen Stadt herangereifte New Windsor in Windsor umbenannt.
Im Laufe seiner fast 1.000-jährigen Geschichte entwickelte und wandelte sich Windsor Castle entsprechend den bevorzugten Baustilen, Erfordernissen, finanziellen Möglichkeiten und Vorlieben des jeweils amtierenden Monarchen. Während das Schloss in Friedenszeiten um prächtige Räumlichkeiten ergänzt wurde, stand in Kriegszeiten die Befestigung der Anlage im Mittelpunkt. Im Grunde setzt sich dieses Muster bis heute fort.
Von der Holzburg zum imposanten Palast
Der Grundrisse von Schloss Windsor entwickelte sich aus den mittelalterlichen Befestigungen. Unter Eduard III. wurde der Round Tower auf dem aufgeschütteten Hügel (Motte) errichtet, auf dem schon Wilhelm der Eroberer den Bergfried hatte bauen lassen. Er ließ die alte Burg abreisen und veranlasste den Ausbau zur Residenz, dessen Grundriss bis heute unverändert blieb. Weil Eduard III. 1312 auf Windsor Castle geboren wurde, wurde er auch Eduard von Windsor genannt. Sein 24 Jahre dauerndes Neu- und Umbauprogramm begann 1350 und prägt das Aussehen des Schlosses bis heute.
Der Round Tower, das älteste Gebäudeteil, bildet den Mittelpunkt der Schlossanlage und teilt sie in zwei unterschiedliche Bereiche. Das unter Heinrich VIII. erbaute Tor, das seinen Namen trägt, bildet den Haupteingang des Schlosses und führt in den Unteren Hof (Lower Ward). In dessen Zentrum steht die St. George's Chapel.
Das Meisterwerk der englischen Spätgotik wurde von 1475 bis 1528 gebaut. Die Kapelle, die eher eine ausgewachsene Kirche oder die Kleinausgabe einer Kathedrale ist, ist dem Schutzpatron des Hosenbandordens geweiht. Er wurde 1348 von König Eduard III. gestiftete und ist der höchste Orden des Vereinigten Königsreichs. Der Hosenbandorden ist streng limitiert und wird an Menschen verliehen, die sich in besonderer Weise um das Königreich verdient gemacht haben. Bis heute wird in der Kapelle die jährliche Zusammenkunft der Ordensträger zelebriert.
St. George's Chapel als Meisterwerk der Gotik
Zudem dient die St. George's Chapel als letzte Ruhestätte. Die Kapelle ist gleich nach Westminster Abbey die bedeutendste Grabstätte der englischen Könige. Auch der berühmt-berüchtigte Heinrich VIII. fand hier seine letzte Ruhestätte. Zuletzt wurde Elizabeth Bowes-Lyon, besser bekannt als Queen Mum, beigesetzt. Sie war die Mutter von Königin Elisabeth II.
Heinrich III. hatte sich ursprünglich die Albert-Gedächtnis-Kapelle direkt neben der St.-Georgs-Kapelle als Grabkirche bauen lassen. Weil er dann doch in Westminster Abbey seine letzte Ruhe fand, lies Königin Victoria die Kirche nach dem Tod ihres Mannes Prinz Albert 1861 zur Gedenkstätte für ihn umbauen. Im Curfew Tower sind Reste des Gefängnisses aus dem 13. Jahrhundert zu sehen. Alle drei Stunden erklingt aus dem Turm ein Glockenspiel.
Zum Oberen Hof (Upper Ward) gehören unter anderem die Staatsgemächer (State Apartments). In einem Teil davon sind die Kunstschätze der Krone ausgestellt. Hier kann man nicht nur ein pompöses Schlafgemach besichtigen, in dem diverse König nächtigten, sondern auch zahlreiche wertvolle Kunstschätze. Die Gemälde stammen zum Beispiel von da Vinci, Dürer, Holbein, Rembrandt und Rubens. Auch eine Kreidezeichnung von Michelangelo ist zu sehen. Deckenmalereien, Gobelins, erlesene Möbel und feines Porzellan, alte Rüstungen und Waffen sowie Wandteppiche vervollständigen die Sammlung.
Ein Puppenhaus der Extraklassen
Sehenswert ist auch Queen Mary's Dolls' House, das in den 1920er-Jahren für Königin Mary gebaut wurde, die Liebhaberin von miniaturisierten Dingen war. Das Puppenhaus im Maßstab 1:12 wurde von Edwin Lutyens entworfen und ist ein Meisterwerk der Feinmechanik. Die Ausstattung der aristokratischen Luxusvilla wurde von führenden Handwerkern und Künstlern der damaligen Zeit geschaffen. Die enorme Detailtreue des ein Meter hohen Modells, das auch auf der British Empire Exhibition 1924/25 gezeigt wurde, ist bemerkenswert.
In den Staatsgemächern empfängt der Monarch seine Gäste und lädt zu Banketts. Direkt daran angrenzend, im Ostflügel, der zum Terrassengarten hin liegt, befinden sich die Privatgemächer des amtierenden Monarchen. Elisabeth II. machte aus dem vorher vor allem als Sommerresidenz genutzten Schloss ihren Wochenendsitz. Anlässlich ihres 80. Geburtstags sogar ihren ständigen Wohnsitz. Für gewöhnlich hält sich nur noch drei Tage in der Woche (meist dienstags bis donnerstags) zu Arbeitszwecken im Buckingham Palace auf, den Rest der Woche auf Windsor Castle, das eine der drei offiziellen Residenzen der britischen Krone ist.
Ob das königliche Oberhaupt tatsächlich anwesend ist, erkennt man an der Flagge auf dem Round Tower. Weht hier das royale Banner, ist der König da. Ist dies nicht der Fall, wird der Union Jack gehisst. Ist der König im Hause, sind die State Apartments aus Sicherheitsgründen nicht zugänglich. Dann werden günstigere Tickets angeboten. Da der Palast immer noch betriebliche Funktionen erfüllt, finden hier häufig Staatszeremonien und anderen Veranstaltungen des Königshauses statt, so dass die Öffnungszeiten kurzfristigen Änderungen unterworfen sein können. Im Internet wird man darüber informiert.
Feuer im Lieblingsschloss von Königin Elisabeth II.
Bereits Queen Victoria war es, die Windsor Castle 1848 erstmals für das Volk öffnen ließ. Nachdem am 20. November 1992 in der Privatkapelle des Königs ein Feuer ausgebrochen war, sah sich Elisabeth II. dazu gezwungen, erstmals auch die Staatsgemächer des Buckingham Palace für Besucher zu öffnen. Das Feuer wütete fünfzehn Stunden, ehe über 200 Feuerwehrleute es unter Kontrolle hatten. Es zerstörte neun der wichtigsten Staatsgemächer. Weitere 100 Räume wurden schwer beschädigt. Insgesamt wurde ein Fünftel der 45.000 Quadratmeter umfassenden Gebäudefläche in Mittleidenschaft gezogen. Weil die Queen es versäumte das Schloss gegen Feuer zu versichern, musste sie die 60 Millionen Euro für die Beseitigung der Brandschäden aus eigener Tasche zahlen. Den Großteil der Kosten konnte sie durch die Öffnung von Schloss Buckingham finanzieren.
Wer schon einmal in Windsor ist, sollte sich auch den Ort selbst anschauen. Die typische englische Kleinstadt besticht mit Backsteinbauten und kopfsteingepflasterten Straßen. Viele kleine Antiquitätenläden, Pubs und Restaurants laden zum Stöbern und Verweilen ein. Eine Fußgängerbrücke unterhalb von Windsor Castle führt über die Themse direkt ins Örtchen Eton. Es ist berühmt für das weltbekannte Eton College. Auf die 1440 von Heinrich VI. gegründete Eliteschule gingen beispielsweise die Prinzen William und Harry, aber auch diverse Premierminister.
Während des Ersten Weltkriegs, in dem sich Britten und Deutsche bekriegten, entschied die Königsfamilie ihren dynastischen Namen zu ändern. Aus dem deutschen Haus von Sachsen-Coburg-Gotha wurde Windsor. Schloss und Stadt wurden Namensgeber der Königsfamilie, was die enge Beziehung nochmals verdeutlicht.