70 Stühle gegen das Vergessen
Platz der Helden des Ghettos (Plac Bohaterów Getta)
Grau, leer, überdimensioniert. So stehen sie da, die Stühle auf dem Platz der Helden des Ghettos. An diesem geschichtsträchtigen Ort halten sie die Erinnerung aufrecht. Das im Jahr 2005 aus 70 Stühlen errichtete Mahnmal symbolisiert die Tragödie der Ghettobewohner, von denen nur ihre Möbel geblieben sind. Tadeusz Pankiewicz, der Eigentümer der Apotheke "Zum Adler" und der einzige nichtjüdische Bewohner des Ghettos, erinnerte sich einmal: "Auf dem Platz der Einheit verfallen unzählige Schränke, Tische, Anrichten und andere Möbel, die ständig hin- und hergetragen werden."
Am heutigen Platz der Ghettohelden, dem damaligen Platz der Einheit (pl. Plac Zgody), befand sich eins der vier bewachten Tore zum Krakauer Ghetto. Er war der größte und wichtigste Platz innerhalb des jüdischen Wohngebiets. Als solcher spielte er eine tragische Rolle in der Geschichte des Ghettos. Hier wurden alle Appelle und Selektionen abgehalten, hier wurden die Juden zur Deportation in die Konzentrationslager zusammengetrieben.
33 der Metallstühle sind übergroß, stehen auf einem leicht schwebenden Podest und werden nachts von unten angestrahlt. Sie stehen in Reih und Glied über den Platz verteilt und sind Richtung der ehemaligen Apotheke ausgerichtet, die sich direkt am Platz befand. Die Apotheke ist eins der wenigen Überbleibsel aus der Ghettozeit. Einzige Ausnahme bilden drei Stühle, die zur ulica Lwowska zeigen, wo noch heute Reste der Ghettomauer stehen. Die 37 kleinen Stühle sind rund um den Platz verteilt und laden zum Verweilen ein. Aber auch auf die großen Stühle kann und darf man sich setzen. Mehr noch: Sie laden zur lebendigen Nutzung ein.
Wenngleich nur noch wenig an die dunkelste Zeit dieser Gegend erinnert, kann der wachsame Besucher bis heute Einschusslöcher an den wenigen noch nicht renovierten Fassaden entdecken. Erst in den letzten Jahren hat man damit begonnen, eine Erinnerungskultur zuzulassen. Dazu gehört neben dem Denkmal auch, dass der Verlauf der Ghettomauer auf dem Platz mit einem abweichenden Pflaster gekennzeichnet wurde.
Jedes Jahr am 14. März, dem letzten Tag der Liquidierung des Ghettos, startet vom Platz der Helden des Ghettos der Marsch der Erinnerung. In Gedenken an die Ghettoopfer legen Krakauer Bürger genau den Weg zurück, den die letzten verbliebenen Juden an diesem Tag im Jahre 1943 ins nahegelegene Konzentrationslager Plaszow zurücklegen mussten. Als sie abgeführt wurden, blieben nur noch ihre Möbel, die sie eigentlich mitnehmen wollten. Das Raster aus eben jenen Sitzgelegenheiten erinnert in bedrückender und beeindruckender Weise daran.