"Aale, Aale, dick wie Wale!"
Hamburger Fischmarkt
Für die einen beginnt der Tag gerade erst, für die anderen ist der gestrige noch nicht vorüber. Hier auf dem Hamburger Fischmarkt treffen sich Frühaufsteher und Nachtschwärmer, Hamburger und Touristen. In aller Herrgottsfrühe zieht es sie nach Altona, wo auf einer unter der Woche als Parkplatz genutzten Freifläche direkt am Hafenbecken unzählige Stände aufgereiht werden. Was schon seit 1703 Tradition ist, hat sich trotz der frühen Anfangszeit zu einer der beliebtesten Attraktionen Hamburgs gemausert. Jeden Sonntag, auch an Feiertagen, lockt der legendäre Fischmarkt bis zu 70.000 Besucher an die Elbe.
Handeln bis zum Kirchgang
Geboren wurde der Fischmarkt offiziell in dem Jahr, in dem es erstmals erlaubt war, auch sonntags vor dem Kirchgang Handel zu betreiben. Auch wenn die Frömmigkeit des Volks deutlich nachgelassen hat, der Fischmarkt endet noch immer vor Beginn des Hochamts. Das hatte damals auch damit zu tun, dass der empfindliche Fisch schon mittags mangels moderner Kühlmethoden weit weniger angenehm gerochen hätte. Wurde früher ausschließlich Fangfrisches verkauft, werden heute alle Konsumwünsche erfüllt.
"Aale, Aale, dick wie Wale!" schreit Aale-Dieter mit belegter Stimmte quer über den Fischmarkt, während ein benachbarter Obsthändler seine Bananen "nicht für vier, nicht für drei, nicht für zwei, sondern für nur einen Euro" anpreist. Keine Sekunde später fliegen die ersten Tropenfrüchte durch die Luft, um den faszinierten Zuschauern Lust auf mehr zu machen.
Das wortreiche Spektakel, das die Marktschreier hier allwöchentlich veranstalten, ist ein Erlebnis für sich. Ganze Menschentrauben erfreuen sich an den schlagfertigen und zuweilen derben Sprüchen. Böse Zungen behaupten, das Gebrüll der Händler sei noch auf der unweit gelegenen Reeperbahn zu hören.
Marktschreier geben den Ton an
Während die einen Tüten voller Wurst erstehen, schleppen die anderen schon am scheinbar unschlagbar günstigen Obstkorb für 'nen Zehner. Beim Holländischen Blumenkönig macht sich noch niemand Sorgen um den Transport. Dabei gerät er gerade hier, wo ganze Dschungel vom LKW verkauft werden, zu einer Herausforderung. In den Bann gezogen von lautstarken Sonderangeboten, lässt sich so mancher Fischmarktbesucher zum Kauf von tropischen Riesenpalmen oder gleich einem gemischten XXL-Karton Topfpflanzen verführen.
Wie zu früheren Zeiten kann auch noch heute frischer Fisch direkt vom Kutter gekauft werden. Und weil hier so ziemlich alles gehandelt wird, was nicht niet und nagelfest ist, gibt es auch lebende Brieftauben, Hühner und Kaninchen. Während noch aufgebaut wird, versorgen sich viele Hamburger Gastronomen mit frischer Ware für den Tag, wenn schon wieder abgebaut wird, ergattern Einheimische noch ein schnelles Schnäppchen.
Für die Stadt Hamburg ist die ökonomische Bedeutung des Fischmarkts heute nur noch gering, zumindest was direkte Einnahmen angeht. Viel wichtiger ist seine Funktion als Touristenattraktion.
Tanzen in der Fischauktionshalle
Auch wenn es den einen oder anderen Morgenmuffel einiges an Überwindung kostet, das Fischbrötchen gehört natürlich auch hier zum Muss. Nachtschwärmer tuen sich damit selten schwer, Frühaufsteher trinken vorher lieber einen Kaffee und essen ein Franzbrötchen.
Wer es etwas ausgiebiger mag, den zieht es in die Fischauktionshalle. Wo einst frischer Fisch versteigert wurde, kann heute bis zum Mittag gebruncht werden. Während auf den Rängen geschlemmt wird, heizen unten wöchentlich wechselnde Bands abwechselnd auf zwei Bühnen ein. So manche Hochzeitsgesellschaft samt Braut und Bräutigam macht den Fischmarkt hier zur letzten Tanzfläche.