Welterbe der UNESCO
So bekommt ein Ort den begehrten Titel
Noch bis zum kommenden Mittwoch tagt das Welterbekomitee der UNESCO auf Einladung der Bundesrepublik in Bonn. Auf der eineinhalbwöchigen Jahreskonferenz wird unter anderem darüber debattiert, welche Kultur- und Naturerbe gefährdet sind und folglich auf der Roten Liste des gefährdeten Welterbes landen. Derzeit werden zum Beispiel antike Stätten im Irak und in Syrien vorsätzlich durch die Organisation „Islamischer Staat“ zerstört.
Auf der Tagesordnung stehen aber auch die Entscheidungen über Neuvergaben des Welterbetitels. In diesem Jahr haben sich 36 Stätten aus aller Welt um die Auszeichnung beworben. Erstmals dabei ist beispielsweise Singapur, das mit seinem Botanischen Garten punkte will. Die Entscheidungen über Weltkultur- und Weltnaturerbe werden für den morgigen Sonntag erwartet.
Der Titel hat nicht nur einen ideellen, sondern auch ökonomischen Wert. Wer mit Weltkultur- oder Weltnaturerbe der UNESCO (es gibt auch Stätten die gleichzeitig Kultur- und Naturerbe sind) werben kann, der darf sich auf deutlich mehr Besucher einstellen.
Mindestens 18-monatiges Bewerbungsverfahren
Erster Schritt auf dem langen Weg zum Welterbetitel ist immer die Vorschlagsliste der einzelnen Staaten. In Deutschland wird diese Liste von den Bundesländern gemeinsam erstellt. Die Bundesrepublik ist in diesem Jahr mit dem Naumburger Dom samt der Saale-Unstrut-Region, der Hamburger Speicherstadt und dem Kontorhausviertel mit Chilehaus sowie zwei Wikingerstätten in Schleswig-Holstein vertreten.
Die Liste mit den nach Meinung der Länder welterbewürdigen Kandidaten geht im zweiten Schritt an ein unabhängiges Expertengremium, das auf Basis der Bewerbungen Empfehlungen an das Welterbekomitee ausspricht. Die Bewerbungsunterlagen für Kulturerbe nimmt sich der Internationale Rat für Denkmalschutz (Icomos), die für Naturerbe die Weltnaturschutzunion (IUCN) vor.
Beste Chancen auf den Welterbetitel in Deutschland haben demnach Speicherstadt und Kontorhausviertel in Hamburg. Die Denkmalschützer haben sich dafür ausgesprochen, das Hamburger Duo in die Kulturgutliste aufzunehmen. Der Naumburger Dom hingegen ist bei der Prüfungskommission durchgefallen. Zwar zählt die viertürmige Kathedrale in Sachsen-Anhalt zu den bedeutendsten Denkmälern aus dem europäischen Hochmittelalter, doch dem Aufnahmeantrag fehle es an Schlüssigkeit und Überzeugungskraft.
Die Verteidungswälle von Danewerk in Schleswig-Holstein und die Wikingerstadt Haithabu, ein früheres Handelszentrum der Nordmänner, sind Teil einer nordeuropäischen Sammelbewerbung. Unter isländischer Führung sollen mehrere Stätten der Wikingerkultur zum Welterbe werden.
Trotz der negativen Beurteilung gibt es für den Naumburger Dom Grund zu hoffen. Das derzeit tagende Komitee ist nämlich nicht an die Entscheidungen der Gutachter gebunden. Im letzten Schritt des mindestens 18-monatigen Bewerbungsverfahrens entscheidet das Welterbekomitee, das aus gewählten Experten aus 21 Ländern besteht.
Stätte von außergewöhnlichem universellem Wert
Grundvoraussetzung zur Ernennung ist, dass eine Stätte von außergewöhnlichem universellem Wert sein muss. Das sieht das Komitee immer dann als gegen an, wenn mindestens eins von zehn aufgestellten Kriterien gegeben ist. Zu ihnen zählen beispielsweise Meisterwerke der menschlichen Schöpferkraft, so wie es die beiden Hamburger Orte sein könnten.
Die UNESCO-Stätten sollen repräsentativ für eine bestimmt Architektur oder Technologie, eine kulturelle Tradition oder untergegangene Kultur stehen. Ein Naturerbe soll von „ästhetischer Bedeutung“ und „außergewöhnlicher Schönheit“ sein.
Derzeit gibt es 1007 Kultur- und Naturerbe in 161 Ländern. Deutschland besitzt 39 Welterbestätten. Die erste war 1978 der Aachener Dom. Dem Dresdener Elbtal wurde der Titel 2009, nachdem es drei Jahre zuvor wegen dem Bau der Waldschlößchenbrücke auf die Rote Liste gesetzt wurde, aberkannt.
Ungleiche Verteilung des Welterbetitels
Auffällig ist das Ungleichgewicht bei der weltweiten Verteilung der über tausend Welterbetitel. 48 Prozent der Weltkulturerbestätten beispielsweise liegen in Europa oder Nordamerika, nur neun Prozent in Afrika. Während aus bestimmten Weltregionen sehr viele Bewerbungen eingereicht werden, eben auch aus wirtschaftlichen Interessen, sehen sich zum Beispiel viele afrikanische Staaten mit dem Bewerbungsverfahren überfordert.
Wie aufwendig die Bewerbung ist zeigt das Beispiel Hamburg. Nur für die Speicherstadt wurden ein 300-seitiger Antrag, ein 96-seitiger Managementplan, das 120-seitige „Speicherstadt Hamburg Entwicklungskonzept“ sowie zahlreiche Dokumente und Karten eingereicht. Unabhängig vom finanziellen Aufwand fehlt in vielen Ländern dafür einfach das Know-how oder Personal. Oft sogar beides. Indem die UNESCO entsprechende Staaten bei der Erarbeitung der aufwendigen Bewerbungsunterlagen zukünftig unterstützt, will sie dem Ungleichgewicht entgegenwirken.