Was ist eigentlich …?
Gentrifizierung
Es vergeht mittlerweile kein Tag, an dem in den Medien in Zusammenhang mit Metropolen nicht von Gentrifizierung gesprochen wird. In der Regel sind steigende Wohnungsmieten Kern der Berichterstattung. Ein leidenschaftliches Streitthema, weil es einen großen Teil der Bevölkerung betrifft. Doch was bedeutet Gentrifizierung eigentlich?
Geprägt wurde das Wort bereits in den 1960er-Jahren von Ruth Glass. Die britische Soziologin verwendete den vom englischen Ausdruck „gentry“ (dt. niederer Adel) abgeleiteten Begriff 1964 um damit den Sachverhalt zu beschreiben, dass Familien der Mittelschicht ins ursprünglich vor allem von Arbeitern bewohnte Islington zogen und so die soziale Struktur des Londoner Stadtteils charakteristisch veränderten. Gentrifizierung beschreibt demnach nichts anderes, als einen sozialen Umstrukturierungsprozess innerhalb eines Stadtteils oder Stadtviertels.
Der stets durch Aufwertung gekennzeichnete Strukturwandel verläuft in der Regel nach einem typischen Muster: Mit Leerständen zu kämpfende Gebäude locken dank niedriger Mieten finanzschwache aber aufgeschlossene Personengruppen wie Kreative, Künstler und Studenten in bisher weniger attraktive Stadtgebiete. Bereits durch ihre bloße Anwesenheit werten die Pioniere die unliebsamen Stadtgebiete auf und setzen einen Segregationsprozess in Gang. In Folge der Ansiedlung eröffnen beispielsweise Clubs, Geschäfte und Restaurants die ebenfalls zur Aufwertung beitragen und den Zulauf an Bewohnern aber auch Touristen erhöhen. Aus einem schmuddeligen Viertel, das vormals zum Beispiel industriegeprägtes Hafengebiet war, wird so schnell ein stadtbekanntes Szenequartier, das die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht und Begehrlichkeiten weckt.
Schreitet der Gentrifizierungsprozess gemächlich voran, haben Künstler Zeit sich zu etablieren, Studenten Zeit ins Berufsleben einzusteigen. Die einstigen Geringverdiener bringen Kapital in ihren Stadtteil, der das Interesse von Investoren weckt. Erste Häuser und Wohnungen werden restauriert. Die Mieten steigen. Alteingesessene, Kreative, Künstler und Studenten, die dem Stadtteil ihre Anziehungskraft verleihen, können sich die linear zur Attraktivität gestiegenen Preise für Wohnraum nicht mehr leisten und müssen weiterziehen. Eine neue, wohlhabende Klientel siedelt sich an und setzt oft neue Lebensstandards durch. Lebensstandrads, die weitere Geschäftemacher anlocken. Aus szenebekannten Plattenläden werden edle Boutiquen, aus hippen Straßencafés nobel Gourmettempel. Auch seit Jahrzehenten hier angesiedelte Fachgeschäfte können sich die Mieten meist nicht mehr leisten und müssen weihen. Ein Stadtteil hat sein Gesicht und seine Seele verändert.