Umstrittene Stadtentwicklung in Budapest
Regierung will in den Burgpalast, Museen sollen ausziehen
Der Burgpalast ist nicht nur das Wahrzeichen von Budapest, sondern das Wahrzeichen einer ganzen Nation. Die ehemalige Königsresidenz ist das größte Gebäude des Landes, überragt die Metropole und bestimmt ihr Stadtbild maßgeblich. Nicht nur auf Touristen wirkt die repräsentative Burg anziehend, sondern auch auf den vom Westen kritisch beäugten Ministerpräsidenten Viktor Orbán.
Bereits 2014 wurden Pläne bekannt, wonach Orbán, der Ungarn in eine Präsidialdemokratie nach Putins Vorbild umbauen will, seinen Amtssitz ins Burgviertel verlegen möchte. Derzeit wird dafür das ehemalige Karmeliterklosters, ein Palais aus dem 18. Jahrhundert, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Präsidentenpalais und direkt neben dem Eingang zum einstigen Königsschloss, umgebaut. Orbán will 2017 einziehen.
Doch das Kloster könnte nur eine Zwischenstation sein. In zehn bis zwanzig Jahren soll das gesamte Burgviertel restauriert sein, so der für das Projekt zuständige Regierungskommissar. Dann könnte der Regierungschef weiterziehen, ins Allerheiligste der Nation. Und von der Burg den Blick hinab aufs Parlament genießen, wo sich der momentane Sitz des Ministerpräsidenten befindet. Der Umzug würde zwar die demokratisch unangebrachte Nähe von Exekutive und Legislative beseitigen, aber auch die Kultur verdrängen.
Stadtwäldchen soll Museumquartier werden
Schon für den Umbau des Karmeliterklosters musste unter anderem ein dort beheimatetes Kinder- und Tanztheater ausziehen. Im Burgpalast befinden sich heute diverse Museen. Nicht irgendwelche, sondern die Nationalgalerie, das Historische Museum und das Ludwig-Museum für Zeitgenössische Kunst. Zudem ist die Nationalbibliothek hier untergebracht. Für einen Teil der bisherigen Nutzer sind schon Neubauten geplant.
Die Kulturinstitutionen sollen ins Stadtwäldchen umziehen. Bereits vor Jahren wurde der Bau neuer Gebäude am Rande der Grünfläche gesetzlich verankert. Mit moderner Architektur will die Regierung ein Museumquartier von Weltruf schaffen. Doch das Volk ist gespalten. Aktivisten campieren im Stadtwald und wollten die Fällung jedes einzelnen Baums verhindern.
Die Verantwortlichen verstehen die Aufregung nicht. Attila Sághi sagte dem „ZDF“, das früher 201 Bauten im parkähnlichen Wäldchen standen, nun werden lediglich zehn gebaut. Außerdem entstehen die neuen Gebäude soweit möglich auf bereits versigelten Flächen. Die Bebauung des Stadtwäldchens werde sich von derzeit knapp sechs auf lediglich zwölf bis dreizehn Prozent verdoppeln.
Doch schon heute ist das Wäldchen an Wochenenden stark überlaufen. Auch wenn nur wenige Flächen und Wege verschwinden, wird der Publikums- und Straßenverkehr durch die Museen zunehmen und damit auch die Lärm- und Umweltbelastung. Vom Ort der Ruhe und Erholung wird der Stadtwald zum Hotspot, der die Massen anzieht.
Proteste gegen die Pläne der Regierung
Immer mehr Gegner gehen gegen die Pläne der Regierung auf die Straße. Die wiederrum hat ihre Baupläne bereits der UNESCO gemeldet. Immerhin ist das Burgviertel seit 1986 Weltkulturerbe. Der Ärger ging bereits los. Orbán will an seinem zukünftigen Amtssitz einen 100 Quadratmeter großen Balkon anbringen lassen. Denkmalschützer sind empört. Doch der konservative Regierungschef dürfte hartnäckig bleiben. Im Zusammenhang mit dem städtebaulich brisanten Projekt wird er immer wieder mit dem Satz „Wir werden die Burg zurückerobern!“ zitiert.
Ein Stolperstein könnte letztlich aber die Finanzierung werden. 100 Milliarden Forint, also derzeit rund 332 Millionen Euro will die ungarische Regierung in den kommenden Jahren in die Renovierung und Restaurierung des Burgviertels investieren. Nur ein Drittel kommt aus der Europäischen Union, verhältnismäßig wenig für ein Projekt dieser Größenordnung. 35 Palais sowie 28 Schlösser und Herrenhäuser sollen mit der Summe auf Vordermann gebracht werden, so Attila Sághi.