Spritpreisexplosion
Von der Mär des teuren Stadtlebens
Das Leben in der Großstadt ist teuer, in Weltstädten ohnehin. Das hört man von vielen Dörflern und Städtern gleichermaßen. Unter dieser Annahme ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Menschen, die in Metropolen arbeiten, in den ländlichen Vororten niederlassen. Hier lockt nicht nur das Mehr an Natur, das insbesondere bei Familien beliebt ist, sondern auch eine vermeintliche Kostenersparnis. Schließlich sind Wohnkosten, egal ob im Eigentum oder zur Miete, hier nachweislich geringer. Wer in einer Metropole halbwegs zentral wohnen möchte, der muss tief in die Tasche greifen. Da scheint es auf den ersten Blick günstiger täglich zur Arbeit zu pendeln. Doch in Zeiten, an denen täglich ein neuer Spritpreisrekord aufgestellt wird, muss am günstigen Landleben gezweifelt werden. Das ARD-Wirtschaftsmagazin „Plusminus“ hat nachgerechnet und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Rechnung nicht mehr aufgeht.
Beispiel
Eine Familie wohnt 40 Kilometer entfernt von Frankfurt am Main. Auf einem 300 Quadratmeter großen Grundstück stehen die eigenen vier Wände mit 160 Quadratmeter Wohnfläche. Hierfür trägt die Familie eine monatliche Belastung in Höhe von 842 Euro. Eine vergleichbare Immobilie in der Finanzmetropole würde mit 1.241 Euro im Monat zu Buche schlagen. Betrachtet man lediglich die Wohnkosten, ist die Rechnung eindeutig. Gegenüber dem Wohnen in der Stadt spart die Familie fast 400 Euro.
Allerdings braucht das Ehepaar zwei Autos um zur Arbeit zu fahren. Die Frau fährt 70 Kilometer nach Darmstadt, der Mann 40 Kilometer nach Frankfurt. Die Gesamtkosten für beide Fahrzeuge summieren sich auf 1.200 Euro im Monat (Pendlerpauschale bereits berücksichtigt).
Würde die Familie jedoch in Frankfurt wohnen, könnten sie auf ein Fahrzeug verzichten. Der Mann könnte mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren. Der Frau bliebe das Auto. Der monatliche Unterhalt fürs Fahrzeug sowie eine Monatsfahrkarte für den ÖPNV kosten zusammen keine 500 Euro.
Die Schlussrechnung beweist die Vermutung. Während die Gesamtkosten für Wohnen und Mobilität vor den Toren Frankfurts 2.042 Euro betragen, würde die Familie in der Stadt maximal 1.741 Euro zahlen.
Kostenersparnis und Zeitgewinn
Durch weitere Rechnungen in verschiedenen Ballungsräumen bestätigt sich das Bild des teuren Landlebens. So kommt Plusminus auf durchschnittlich 100 Euro Ersparnis in München, 240 Euro im Zentrum von Köln und auf satte 400 Euro in der Hauptstadt Berlin. Je weiter man in den Osten schaut, desto größer wird das Stadt-Land-Gefälle.
Die in der Regel deckungsgleichen Kosten für Energie oder Lebensmittel können vernachlässigt werden. Ein möglicher Zusatzgewinn ist aber der Zeitfaktor. Wen durch die Verlagerung des Lebensmittelpunktes in die Stadt lange Fahrtstrecken zur Arbeit entfallen, lassen sich oft nicht nur Minuten sondern sogar kostbare Stunden einsparen. Nutzt man auch in der Freizeit das vielfältige Angebot der Stadt, zum Beispiel an Gastronomie, Kultur und Unterhaltung, fallen Kostenersparnis und Zeitgewinn noch deutlich größer aus.
Doch viele Familien, insbesondere die mit Kindern, entscheiden sich nicht nur der Kosten wegen für das Leben auf dem Land. Ruhige Lagen, Naturverbundenheit und andere soziale Strukturen können trotz höherer Kosten den Ausschlag für das Landleben gegeben. Die Abwägung der einzelnen Faktoren muss jeder für sich vornehmen. Doch angesichts immer weiter steigender Kosten könnte das Landleben für Pendler bald zum Luxus werden.