Hommage und Satire
Musical „Kein Pardon“ in Düsseldorf
Als „Kein Pardon“ 1993 in die Kinos kam, waren die Kritiken gemischt. Hape Kerkeling, der in der eigentlich recht erfolglosen Filmparodie auf das deutsche Fernsehen nicht nur die Hauptrolle spielte sondern auch am Drehbuch mitwirkte und Regie führte, war bekannt aber noch lange nicht so beliebt wie heute. Erst seine unermüdlich gestiegene Popularität hat dem Film einen gewissen Kultcharakter verliehen. Seit November 2011 ist das auf dem Film basierende Musical im Capitol Theater in Düsseldorf zu sehen. Wir haben es besucht.
Wer sich in die königsblauen Sessel des größten Theaters in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt setzt, der wird schon bald in die Fernsehwelt kurz vor Einführung des Privatfernsehens entführt. Eine Zeit, in der die Programmauswahl reduziert war und die adrett gekleidete Ansagerin noch zum guten Ton gehörte. Kein Wunder also, dass auch im überdimensionierten Röhrenfernseher, der den nostalgischen Bühnenrahmen bildet, bald eine Dame erschien. Hape Kerkeling selbst stimmt das Publikum in seiner Rolle als Uschi Blum allabendlich auf die Vorstellung ein. Schwips inklusive.
Nachdem der Vorhang gelüftet wurde, finden sich Darsteller und Zuschauer im Ruhrgebiet wieder. In „Bottrop-Beach“ betreibt Familie Schlönzke einen „Schnittkes-Service“. Auch Peter, jener Mitzwanziger der im Mittelpunkt der Handlung steht, ist Teil des Familienbetriebs. Doch sein Traum ist nicht das Schmieren von Leberwurstbroten, die stets mit einem Gürkchen gekrönt werden. Peter Schlönzke zieht es dorthin, wo sein Idol, Moderator Heinz Wäscher, jeden Samstagabend auf der Bühne steht und mit seiner Sendung „Witzigkeit kennt keine Grenzen“ das Volk unterhält. Er will zum Fernsehen.
Das Musical erzählt die Geschichte vom schnellen Aufstieg eines unbeholfenen Ruhrpottjungen. Auch wenn ihn das oberflächliche Fernsehgebaren zunächst desillusioniert, hat sich Peter Schlönzke schon bald die exzentrischen Eigenarten seines Vorgängers Wäscher zu Eigen gemacht. Er ist Teil der Maschinerie Fernsehen und muss alsbald mit den gleichen Folgen kämpfen wie sein einstiges Idol. Fast schneller als der Aufstieg zum hoffierten und umjubelten Starmoderator kommt der rasante Fall. Getroffen von Peters arroganten und ignoranten Starallüren will Mama Schlönzke zunächst nichts vom Hilfegesuchen ihres Sohns wissen. Weil Blut aber doch dicker ist als Wasser findet sich Peter schon bald wieder im vom Biedermeier geprägten Wohnzimmer seines Elternhaues.
Den Machern um Autor Thomas Herrmanns und Regisseur Alex Balga ist es gelungen mit ihrer Abarbeitung an der verstaubten Fernsehunterhaltung grauer Vorzeit Hommage und Satire zugleich zu produzieren. „Kein Pardon“ ist aber nicht zuletzt auch eine Liebeserklärung an das Ruhrgebiet und seine bodenständigen Bewohner. Dabei ist es gelungen die Protagonisten nicht zu Witzfiguren zu machen, sondern als authentische Pottbewohner darzustellen.
Wer den Film kennt, wird kaum Probleme haben die Dialoge des ersten Aktes mitzusprechen. Vor allem die kauzigen Schlagabtausche zwischen Oma, Opa und Mutter Schlönzke wurden 1:1 aus der Filmvorlage übernommen. Nicht zuletzt bei der Besetzung von Familie Schlönzke bewiesen die Verantwortlichen ein gutes Händchen. Das Musical lebt von seinen handverlesenen Darstellern, die sich in ihren klischeeerfüllenden Kostümen lustvoll dem Klamauk hingeben. Uschi Blum hat nicht zu viel versprochen, also sie einen „Abend voll spritzigen Humors“ prophezeite.
In fast drei Stunden liefert die musikalische Parodie ein Potpourri aus Balladen, Pop, Rock, Swing und Volksliedern. Was manche Kritiker als kitschig und konzeptlos bezeichnen, empfanden wir als gelungene Mischung einer ständigen Gradwanderung zwischen ernsthafter und spottender Kritik an der Fernsehbranche. Die Komponisten Achim Hagemann und Thomas Zaufke liefern somit viel musikalische Abwechslung, auch wenn manches der Schablone entsprungen zu sein scheint.