Dokumentarfilm „Stadt“
Ein Tag in Hamburg
Eine Großstadt wie Hamburg hat viele Gesichter. Touristen sehen meist nur die eine Seite der Medaille. Die berühmten Sehenswürdigkeiten und herausgeputzten Ecken. Doch eine Metropole ist keine Kulisse für Urlauber, die urbanes Flair suchen. Sie ist Lebensraum von Millionen Menschen, die hier ihren Alltag erleben: Schweißtreibenden Sport, monotone Arbeit, zerfressende Einsamkeit, stille Schönheit und berauschende Partys. Ein Mix aus kitschigen Postkartenmotiven und neuen Lebenswelten.
Der Dokumentarfilm „Stadt“ von Timo Großpietsch zeigt einen Tag in Hamburg. Ein Tag wie er typisch ist im Leben der Hamburger. Anderthalb Jahre hat der Filmemacher dafür an 50 unterschiedlichen Orten in der Stadt gedreht. Er filmte in der Großbäckerei und im Schwimmbad, in der Universität und im Theater. Er beobachtete, wie Container am Hafen verschoben wurden und glühendes Metall in der Hochöfen der Kupferhütte floss. Wie sich die Blechlawinen auf den Hamburger Straßen quälten und wie junge Mädchen im Puff ihre Körper für einen Orgasmus anboten.
Vorbild für „Stadt“ war, unschwer zu erkennen, der Film „Berlin – Sinfonie einer Großstadt“ aus dem Jahr 1927. Er war gleichsam experimentell und legte seinen Schwerpunkt auf den industriellen Aufschwung und die dadurch veränderte Arbeitsweise der Menschen. Auch Großpietschs Film blickt an viele Arbeitsstätten, nicht nur industrieller Art. So zeigt er auch Bürgermeister Olaf Scholz und Tagesschausprecher Claus-Erich Boetzkes bei der Arbeit. Immer bewusst distanziert und sachlich.
Der Film kommt ohne Kommentar aus. Hier und da durchdringen ein paar wenige Geräusche die Musik des Films. Selten leise Sprachfetzen. Genau das macht „Stadt“ so besonders. Ein Dokumentarfilm in Reinform sozusagen. Entsprechend wichtig ist die Rolle der Musik. Sie wurde eigens von Vladyslav Sendecki komponiert und von der NDR Bigband eingespielt. Ein Feuerwerk der musikalischen Stilformen. Elektronik trifft auf Jazz, intimes Klaviersolo auf wilde Schlagzeugsession.
„Stadt“ ist eine filmische Collage mit starker Bildsprache. Erst zusammen mit dem berauschenden Soundtrack ergeben die Aufnahmen eine genussvolle Einheit. Vielleicht ist es sogar die Musik, die der eigentliche Star des Films ist, wenngleich sie zu polarisieren versteht. Das 90-minütige Gesamtwerk in jedem Fall ist eine unsentimentale Liebeserklärung an Hamburg, auf die man sich einlassen muss, für die man sich Zeit nehmen sollte.
Den gesamten Dokumentarfilm können Sie sich derzeit kostenlos in der Mediathek des NDR anschauen.