Buchrezension

„Berlin – Satirisches Reisegepäck“

publiziert am 31.08.2016 in Berlin, Rezensionen | kein Kommentar

Wenn ein Buch schon im Titel den Anspruch an sich selbst erhebt, besonders lustig zu sein, dann ist die Fallhöhe hoch. Dass Satire etwas mit Humor zu tun hat, wird niemand ernsthaft bezweifeln. Da Satire aber keine platte Comedy ist, sondern mit Raffinesse und Tiefgang überzeugen muss, ist die Latte des Leseranspruchs umso höher gesetzt. Wer die Satire aber beherrscht, der könnte tatsächlich ein Buch schaffen, das sich mal auf eine ganz andere Weise mit der angesagtesten Metropole Europas beschäftigt.

Tilman Birr hat diesen Versuch gewagt. Der Wahl-Berliner ist Kabarettist und preisgekrönter Poetry-Slammer. Mit „Berlin – Satirisches Reisegepäck*“ wollte er keinen tausendsten Reiseführer für die von Touristen überlaufene Hauptstadt schreiben, sondern hat sich den Luxus gegönnt ein vollkommen subjektives Buch über seine Lieblingsstadt zu verfassen. In dem dünnen Werk kommt zu Sprache, was Birr beschäftigt und interessiert. Und das sind vor allem Beobachtung des urbanen Lebens.

Birr hält keine Vorträge über die zweifelsfrei interessante aber woanders viel besser erfahrbare Historie von Berlin. Er ist nicht verlegen, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten hinunter zu beten oder seinen Lesern das Tarifsystem der BVG zu erklären. Stattdessen nimmt der Autor uns mit auf eine Reise durch sein Berlin. Ein buntes Potpourri, verpackt in kurzweiligen Kapiteln, die das Buch so perfekt fürs Straßencafé oder die U-Bahn machen.

Feinsinnig beobachtet und stets mit einem Augenzwinkern widmet sich Tilman Birr dem Fast-Food-Kult in Berlin, den zwei Gesichtern von Friedrichshain, der Späti-Kultur und der Besonderheit des Tempelhofer Feldes. Er nimmt uns mit zu versteckten Orten, karikiert den Stadtteilpatriotismus und zieht Spandau der Mitte vor. Dabei gelingt es ihm durchgehend die Eigenheit der Stadt sowie ihrer Bewohner und Besucher gewitzt aufs Korn zu nehmen. Ein Genuss vor allem für die, die Berlin und seinen Charakter kennen (und schätzen).

Am Ende mancher Kapitel gibt Birr Geheimtipps. Tipps, die diesen Titel auch wirklich verdienen. Kneipen, die so sind wie früher, Läden die man gesehen haben sollte oder Orte an denen es anständiges Essen gibt. Manche Kapitel kann man sich vom Autor vorlesen lassen, wenn man den darin enthaltenen QR-Code scannt. Das ist mehr als ein nettes Gimmick, sondern eine Wahre Bereicherung. Vor allem wenn es um den Dialog zwischen einem Polizisten und einem Touristen geht, dem sein Portemonnaie gestohlen wurde.

Ja, Tilman Birr hat es geschafft sein Versprechen zu erfüllen. Ein satirisches Buch, das sich mit ganz anderen Ecken befasst als es die üblichen Hauptstadtbücher tun. Ein Buch, dessen Kurzweil so angenehm wie angemessen ist. Ein Buch, das man gern verleiht oder verschenkt und selbst immer wieder aus dem Regal ziehen wird. Ein Buch, das anders ist als andere Bücher.

Berlin – Satirisches Reisegepäck*
von Tilman Birr

Michael Müller Verlag, Erlangen
ISBN: 978-3-95654-248-0
ca. 120 Seiten, 12,90 EUR (versandkostenfrei bestellen*)

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