80 Großstädte in 30 Tagen
Interview mit Fabian Kuntz
Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen. Das wusste schon der deutsche Dichter Matthias Claudius. Auch Fabian Kuntz hat diese Erfahrung gemacht, als er in diesem Sommer alle 80 deutschen Großstädte in nur einem Monat bereiste. Im Interview mit METROPOLEN.DE verrät der 21-jährige Student aus Herxheim in der Südpfalz, wie er auf diese Idee gekommen ist, was er erlebt hat und worin sich alle Städte gleichen.
Herr Kuntz, wie sind Sie auf die Idee gekommen, alle 80 deutschen Großstädte in nur einem Monat zu bereisen?
Mit dem Zug Deutschland zu bereisen – das war schon immer ein Traum von mir. Konkrete Gestalt nahm er allerdings erst an, als ich eine Werbung für den „Deutschland-Pass“ gesehen habe: Für 249 Euro einen Monat lang alle Züge in Deutschland nutzen! Glücklicherweise ließen die Semesterferien diesen Zeitraum zu. Die konkrete Idee, alle 80 deutschen Großstädte zu besuchen, kam mir dann zu Beginn meiner Reise, um mir ein Ziel zu setzen.
Wie haben Sie entschieden, welche Großstadt als nächstes das Ziel ist? Gab es eine professionelle Organisation oder war es eher eine Reise auf gut Glück?
Auf Wikipedia gibt es eine schöne Deutschlandkarte, auf der alle deutschen Großstädte verzeichnet sind. Die habe ich ausgedruckt und dann immer geschaut, was in der Nähe meines aktuellen Standortes liegt und welche Städte ich denn an einem Tag noch alles schaffen könnte. Generell wollte ich so wenig planen wie möglich und habe dementsprechend meine Route immer spontan festgelegt.
Wie viel Zeit haben Sie durchschnittlich in einer Stadt verbracht?
Mindestens zwei Stunden wollte ich einer Stadt verbringen; bei Städten, in denen ich übernachtet habe, war es dann auch etwas länger.
Genügt das, um eine Stadt kennen zu lernen? Immerhin sind es auch die Bewohner, die eine Stadt zu großen Teilen ausmachen.
Selbstverständlich kann man in dieser Zeitspanne nicht die Lebenskultur einer Stadt kennenlernen. Man entwickelt allerdings im Laufe der Zeit ein Gespür dafür, Städte einordnen zu können: Ist es eine eher reiche oder arme Stadt? Ist es eine junge, dynamische Stadt? Ist es eine Industriestadt oder hat sie historische Hintergründe? Ich habe also zwar nicht viel von einer einzelne Stadt kennengelernt, aber ich habe gelernt, welche Sorten von Städten es in Deutschland gibt. Meine Reise war quasi eine Bestandsaufnahme von Deutschlands Großstädten im Jahr 2012.
Welche Städte waren die schönsten?
Nürnberg, Münster und Magdeburg rangieren bei mir bei dieser Frage ganz vorn. Städte, die mir besonders gut gefallen habe, möchte ich auch unbedingt nochmals besuchen und dann mehr Zeit dort verbringen. Bisher konnte ich dies bereits bei Nürnberg realisieren: Hierhin habe ich ganz aktuell einen Wochenendtrip unternommen. Dabei merkte ich schnell, dass sich in zwei Tagen deutlich mehr unternehmen lässt als in zwei Stunden! Da hat man dann auch mal Zeit ein Museum zu besuchen. In Nürnberg war es – wie soll es anders sein – das „DB Museum“ der Deutschen Bahn.
Welche Städte haben Ihnen am wenigsten zugesagt?
Von den 80 deutschen Großstädten liegen allein 19 im Ruhrgebiet. Da ist es selbstverständlich, dass dort nicht jede Stadt einen bleibenden Eindruck hinterlassen kann. Auch muss ich gestehen, dass der Norden Deutschlands zwar touristisch sehr interessant war, ich mich als „Südländer“ aber zunehmends fremd gefühlt habe, je mehr es gen Norden ging.
Gibt es etwas, dass alle 80 besuchten Städte gemeinsam haben?
Oh ja, und zwar etwas wenig Positives: Meiner Ansicht nach verlieren die Innenstädte an allen Orten ihren charakteristischen Charme. Man sieht überall die gleichen Fast-Food- und Modeketten – egal ob in Kiel, Hannover oder München.
Wann ist es in Städten interessanter? Am Tag oder in der Nacht?
Eine interessante Frage! Aber als Erstbesucher einer Stadt gibt es am Tag eindeutig mehr zu sehen. Dennoch bin ich mir sicher, dass auch das Nachtleben oder nächtliche Flair prägend für eine Stadt ist.
War es eine bewusste Entscheidung, alleine zu reisen? Oder ist das der Spontanität geschuldet?
So spontan, wie meine Reise war, konnte ich diese nur alleine durchführen. Das hat den Nebeneffekt, dass man im Zug, in den Städten und in Hostels wesentlich mehr darauf bedacht ist, Kontakt zu suchen! Das Alleinreisen kann aber besonders gegen Ende ziemlich langweilig werden.
Die Deutsche Bahn ist ein dankbares Stammtischthema. Jeder hat eine Geschichte und eine Meinung zum ehemaligen Staatskonzern. Welche Meinung haben Sie nach einem Monat Dauernutzung?
Bahnfahren ist jedes Mal ein Erlebnis – und das meine ich durchweg positiv! Ich bin im Zug mit anderen Reisenden ins Gespräch gekommen und habe einige Zugbegleiter getroffen, die sich für die vielen gesammelten Stempel auf meiner Fahrkarte interessiert haben. Auch hätte ich ohne das günstige Ticket diese Reise nie realisieren können!
Gab es ein besonders berührendes, lustiges, peinliches oder verblüffendes Erlebnis während der einmonatigen Rundreise durch Deutschland?
Puh, hier könnte ich einige Anekdoten erzählen und ärgere mich im Nachhinein gar darüber, nicht alle Erlebnisse direkt aufgeschrieben zu haben!
Berührend fand ich eine Begebenheit in Cottbus: Dort wollte ich mir an einem Metzgerstand ein Mittagessen kaufen, wurde von der Verkäuferin als Tourist erkannt und habe, nachdem ich von meinem Reisetrip erzählt habe, das Mittagessen kostenlos erhalten. Cottbus fand ich zwar nicht unbedingt besonders sehenswert, wird mir dadurch aber auf jeden Fall positiv in Erinnerung bleiben.
Auch nicht vergessen werde ich die Fahrt, als ich mit dem Nacht-IC von Dortmund zurückfahren wollte und dann am nächsten Morgen in Basel wieder aufgewacht bin!
80 Großstädte in 30 Tagen, das ist ein ganz schönes Pensum. War das Projekt mehr Erholung oder Stress?
Das war streckenweise purer Stress! Aber wenn ich mir überlege, wie viel ich gesehen und erlebt habe, war die Reise die Strapazen wert.
Im nächsten Sommer möchten Sie alle europäischen Millionenstädte mit einem InterRail-Pass besuchen. Das dürften knapp über 30 Städte werden. Wie viel Zeit nehmen Sie sich für diese Reise? Auf welche Metropolen freuen Sie sich schon heute?
Besonders freue ich mich darauf, Osteuropa kennenzulernen. Über alles weitere habe ich mir noch keine genauen Gedanken gemacht, gemäß meiner Idee, spontan zu reisen.