Kunst im Knast
Ai Weiwei auf Alcatraz
Wenn der chinesische Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei seine Werke ausstellt, dann stößt das immer auf großes Interesse. Wenn der Ausstellungsort allerdings so ungewöhnlich ist, wie nun in San Francisco, dann ist das Medienecho noch einmal ungemein größer. Ai Weiwei, der 2011 für 81 Tage in einem chinesischen Gefängnis illegal inhaftiert war, stellt auf der ehemaligen Gefängnisinsel Alcatraz aus.
Für die heute öffnende Ausstellung „@Large: Ai Weiwei on Alcatraz“ (bis 26. April 2015) hat der bekannteste chinesische Künstler der Gegenwart extra sieben Klang- und Multimediawerke sowie Skulpturen in seinem Studio in Peking kreiert. Zu sehen sind diese auch in Teilen der Insel, die normalerweise nicht für das Publikum zugänglich sind. Im bisher gesperrten Zellenblock A beispielsweise ist nun die Toninstallation „Stay Tuned“ untergebracht. In zwölf geöffneten Zellen steht jeweils ein Hocker. Aus versteckten Lautsprechern dringen Gedichte, Lieder und Reden verschiedener Dissidenten. Darunter auch Aufnahmen von Anti-Apartheid-Kämpfern, die auf der berüchtigten Gefängnisinsel Robben Island vor Kapstadt einsaßen und von der russischen Punkband Pussy Riot.
1,2 Millionen Legosteine
Obwohl der Künstler Alcatraz niemals besucht hat, schuf er Kunstwerke, die auf bestehende Strukturen zurückgreifen. So ist die fünf Tonnen schwere Skulptur „Refraction“ nur von der „Gun Gallery“ aus zu sehen. Von diesem schmalen Gang aus beaufsichtigten bewaffnete Wärter früher die Gefangenen bei der Arbeit. Der Blick der Besucher geht durch zerbrochene Fensterscheiben hinunter auf das schon allein ob seiner Größe eindrucksvolle Objekt, das dem Flügel eines Vogels gleicht.
Ai Weiweis Bodenobjekt „Trace“ füllt eine halb verfallene Arbeitshalle auf Alcatraz und zeigt 176 farbenprächtige Porträts von Menschen, die im Exil oder in Haft sind oder politisch verfolgt werden. Darunter zum Beispiel Edward Snowden. Das beeindruckende Exponat ist aus 1,2 Millionen Legosteinen zusammengesetzt.
Kuratorin Cheryl Haines: „In der Ausstellung geht es um Menschenrechte, freie Meinungsäußerung und die Schaffung einer gerechten Weltgesellschaft.“ Sie fügte hinzu, dass Ai Weiwei mit seinen künstlerisch-politischen Werken weit über seine eigene Situation hinausgegangen ist.
Gefängnisinsel mit Internetzugang
Alcatraz ist erstmals Kulisse für eine solch große Ausstellung. Die Umsetzung war nicht einfach, weil die Insel samt Bauwerken als historischer Ort und als Brutstätte für viele Vögel unter Denkmal- und Naturschutz steht. Trotz der Herausforderung hat sich der U.S. National Park Service, unter dessen Verwaltung die Insel steht, für das Projekt stark gemacht. „Durch die Kunst von Ai Weiwei werden Themen wie Haft, Isolation und Freiheit nun lebendig und für die heutige Zeit relevant.“ sagte Michele Gee, der Leiter der Behörde.
Die Ausstellung ist im Preis für die Fähre und den Rundgang bereits enthalten. Ai Weiwei wolle seine Kunstwerke bewusst einer breiten Gesellschaftsschicht näher bringen, insbesondere jenen, die sonst selten oder nie Museen besuchen. Als eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten von San Francisco ist Alcatraz mit jährlich 1,5 Millionen Besuchern wie gemacht dafür.
Dank der Ausstellung gibt es auf der ehemaligen Gefängnisinsel nun erstmals Internetzugang. Ai Weiwei hat sich ausdrücklich gewünscht, dass die Besucher ihre Erlebnisse sofort an die Außenwelt weitergeben können. Auch die Freiheit sich uneingeschränkt mitteilen zu können ist für den Künstler ein wichtiges Element der Ausstellung und des Lebens. In Anbetracht der Tatsache, dass die Gefangenen auf Alcatraz früher noch nicht einmal reden durften, steht auch dieser Wunsch in krassem Gegensatz zur Geschichte der Insel und der Menschheit.