Buchrezension

In Brasilien geht’s ohne Textilien

publiziert am 08.07.2014 in Rezensionen, Rio de Janeiro | kein Kommentar

Die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 geht in die heiße Phase. Nur noch wenige Spiele, dann wird Brasilien nicht mehr tägliches Thema in den Medien sein. Zumindest vorrübergehend, bis 2016 die Olympischen Sommerspiele in Rio de Jainero ausgetragen werden. Ein Großereignis jagt das nächste und auch mit seinem Wirtschaftswachstum macht Brasilien seit einigen Jahren von sich reden.

Wer mehr über dieses Land und insbesondere seine bekannteste Stadt, Rio, erfahren möchte, der sollte zum Buch von Andreas Wunn greifen. Seit 2010 ist dieser ZDF-Korrespondent für Südamerika und Leiter des ZDF-Studios in Rio de Jainero. In seinem Buch, mit dem etwas flachen Titel „In Brasilien geht’s ohne Textilien*„, schreibt Wunn von Erfahrungen und Erlebnissen als Deutscher in der Sehnsuchtsmetropole.

Der Autor erklärt, was die tiefenentspannten Cariocas, wie die Einwohner Rios heißen, von den stets gehetzten Paulistanos, den Bewohnern von São Paulo, unterscheidet. Er berichtet von der akzeptierten Unpünktlichkeit der Brasilianer, ihrem angeborenen Problemlösungstalent, von Partys die niemals vor Mitternacht beginnen, der Ernsthaftigkeit und zugleich Leichtigkeit des Karnevals, dem Gefühl beim fast nackten Einkaufen, den brasilianischen Essgewohnheiten und der Vorliebe für eisgekühlte Getränke. Mag zumindest aus Sicht der der Deutschen nicht viel reibungslos funktionieren in Brasilien, so ist doch zumindest die Versorgung mit Eiswürfeln selbst dort sichergestellt, wo es sonst nichts gibt.

Keine Frage, Rio kommt gut weg in Wunns Lektüre. Er macht keinen Hehl daraus, dass er seinen derzeitigen Wohnort für die schönste Stadt der Welt hält. Doch er behauptet dies nicht einfach, sondern er begründet es.

Wie ein roter Fade zieht sich ein Wunsch durch das Buch: Wunn hat davon gehört, dass es im Cristo Redentor, der Jesusstatue auf dem Corcovado, eine Treppe geben soll. Sein Traum ist es, einmal ins Innere des Wahrzeichens zu dürfen um hoch oben vom Cristo die Aussicht über „seine“ Stadt genießen zu können. Jeden, den er trifft, fragt Wunn, ob es diese Treppe tatsächlich geben und wie man Zutritt bekäme. Kaum einer kann ihm weiterhelfen. Ob sein Traum in Erfüllung geht, soll an dieser Stelle nicht verraten werden.

Der Journalist hat nicht nur das Glück sein Traumstadt gefunden zu haben, er findet auch die große Liebe. Nun ist es mit Liebesgeschichten in Büchern immer so eine Sache. Sie nehmen schnell Überhand, was immer dann unerträglich ist, wenn es sich nicht explizit um einen Liebesroman handelt. Wunn ist es glücklicherweise gelungen die Beziehung zu seiner Sophia subtil einzubeziehen, so dass sie weder nervig noch omnipräsent ist. Ganz im Gegenteil: Sophia scheint so bezaubernd zu sein, dass man sich immer freut, wenn sie im Buch wieder auftaucht.

Anhand der Beziehung lernt der Leser die verschiedenen Beziehungsstadien in Brasilien kennen. Sophia erklärt ihrem Freund, warum Handtücher am Strand, der das Wohnzimmer der Cariocas ist, nichts zu suchen haben. Und man erfährt, wie man in Brasilien der Schwiegerfamilie vorgestellt wird.

„In Brasilien geht’s ohne Textilien“ hält für den Leser eine gelungene Mischung aus Information und Unterhaltung bereit. Stets mit einem Augenzwinkern nutzt der Autor seine Erlebnisse als Journalist um seiner Leserschaft ein entferntes Land und seine Eigenheiten näher zu bringen. So ergeben sich auch interessante Einblicke in seine Arbeit als Korrespondent.

Wunns Kritikpunkte sind rar oder zumindest zu vernachlässigen, doch seine Liebe zu Rio scheint ehrlich und überzeugend. Dennoch hätte es dem Buch gutgetan, wenn die Schattenseiten, insbesondere die Favelas, etwas intensiver beleuchtet würden.

In Brasilien geht’s ohne Textilien –
Ein Deutscher in Rio de Janeiro
*
von Andreas Wunn

Heyne Verlag, München
ISBN: 978-3-453-60251-9
ca. 255 Seiten
8,99 Euro (versandkostenfrei bestellen*)

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