Buchrezension
Gebrauchsanweisung für den Vatikan
Mit dem Vatikan liegt mitten in Rom ein Stadtstaat, der dieser Tage beinahe die gesamte Weltaufmerksamkeit auf sich zieht. Das vom Rücktritt Papst Benedikt XVI. ausgelöste Konklave wurde von Millionen Menschen aus allen Erdteilen mit Spannung verfolgt. Nachdem ein neuer Pontifex gewählt wurde, steht am morgigen Dienstag die offizielle Amtseinführung bevor. Im Petersdom erhält Papst Franziskus während einer Festmesse die Insignien der päpstlichen Macht. Neben unzähligen Millionen, die die feierliche Amtseinführung am heimischen Bildschirm verfolgen, werden vor Ort in Rom eine Millionen Gläubige erwartet. Hinzu kommen allerlei Staats- und Regierungschefs, die ob der ihnen gebührenden Sicherheitsmaßnahmen den Ausnahmezustand vollenden.
So viel Aufregung um ein politisch mittlerweile wenig bedeutsames und auch religiös angeschlagenes Amt mag beim ein oder anderen den Wunsch hervorrufen, mehr über den Lebens- und Machtraum eines Mannes zu erfahren, der als einziger Religionsführer weltweit einen eigenen, vollkommen souveränen Staat für sich beansprucht.
Wie überhaupt kam es dazu, dass die römisch-katholische Kirche ihr Hauptquartier in der italienischen Hauptstadt aufschlug und daraus den kleinsten Staat der Welt machen konnte? Ist das Zentrum des Vatikans, die gigantische Peterskirche, tatsächlich über dem Grab von Petrus, dem ersten Apostel und Papst, erbaut? Und zieht wirklich nur der Heilige Vater die Stippen im vatikanischen Machtgeflecht? Dieser und weiterer Fragen ging Rainer Stephan nach, der die Antworten in seiner „Gebrauchsanweisung für den Vatikan*“ niederschrieb.
Trotz kirchenpolitischer und kirchenrechtlicher Aspekte richtet sich das Buch vor allem an Touristen. Egal ob religiöse Pilger oder heidnische Neugierige – mit seiner Geheimniskrämerei und der dadurch bewusst erzeugten Mystik schafft es die Vatikanstadt das Interesse vieler Menschen auf sich zu ziehen. Und selbst wer jegliche Konfrontation mit Religion ablehnt, wird spätestens als Kunstliebhaber nicht mehr am Vatikan vorbeikommen. Gut also, dass in der „Gebrauchsanweisung für den Vatikan“ nicht nur über die strenge Bewachung der Eingangstore berichtet, sondern gleich auch die Anleitung zur Überwindung mitgeliefert wird. Dabei wird schnell klar, dass es keiner kriminellen Energie bedarf, um auch abseits der ohnehin für Touristen geöffneten Orte einen Blick ins geheimnisvolle Innere der Vatikanstadt zu erlangen.
Sicherlich ist gerade nach der medial rund um die Uhr begleiteten Papstwahl nicht jedes Detail in Stephans Buch eine Überraschung, aber jedes Detail ist interessant. Wer noch nie in Rom war und damit auch noch nie im Vatikan, der wird dankbar sein über einige hilfreiche Schilderungen, wie zum Beispiel den abenteuerlichen Aufstieg zur Kuppel des Petersdoms. Doch auch wer Petersplatz und Museen bereits besichtigt hat, freut sich darüber, dass er vieles wiedererkennt und nun besser einordnen kann. Zugleich aber ärgert er sich über vor Ort übersehene Details, die er ohne die Gebrauchsanweisung natürlich nicht wahrgenommen hat. So ist es der (erneute) Besuch des Vatikans, der die einzig richtige Handlung eines jeden Lesers dieser Lektüre ist.
Auch wenn sich das Buch verständlicherweise noch auf Papst Benedikt XVI. als amtierenden Papst bezieht, tut dies dem Werk keinen Abbruch. Kann es doch immer noch den einen oder anderen Papstbeobachter mit Einzelheiten darüber überraschen, wer zum Beispiel in der päpstlichen Wohngemeinschaft die Hoheit über die Fernbedienung hatte. So viel sei verraten: Benedikt XVI. war es nicht.
Unabhängig davon, ob sie wussten, dass auch eine Frau zum Kardinal ernannt werden kann, oder nicht, die „Gebrauchsanweisung für den Vatikan“ gehört als perfekte Ergänzung zum Rom-Reiseführer mit ins Gepäck. Sie setzt dort an, wo klassische Städteführer aufhören und wird dem Leitsatz „Reisen bildet“ absolut gerecht.
von Rainer Stephan
Piper Taschenbuch
ISBN: 978-3-492-27549-1
224 Seiten, 14,95 EUR (versandkostenfrei bestellen*)