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Denkmal für die ermordeten Juden Europas

Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas, kurz Holocaustmahnmal genannt, steht in Berlins Mitte, nahe dem Brandenburger Tor und dem Regierungsviertel. Auf dem 19.073 Quadratmeter großen Areal befinden sich 2.711 Stelen aus grauem Beton, die in paralleler Reihe aufgestellt sind und verschiedene Höhen wie Neigungen aufweisen. Alle Betonquader haben einen identischen Grundriss von 2,38 mal 0,95 Metern. Die größten Stelen, inmitten des Denkmals, sind 4,70 Meter hoch und 16 Tonnen schwer. Die Neigung reicht von 0,5 bis zwei Grad.

Alle Stelen sind innen hohl, haben eine Wandstärke von etwa 15 Zentimetern und sind von außen besonders oberflächenbehandelt, so das Verunreinigungen durch Graffitis unkompliziert entfernt werden können. Neben den 2.711 überirdischen Stelen gibt es außerdem 112 ebenerdige, meist im Straßenland verlegte Stelenplatten. Am Rande des Stelenfeldes befinden sich außerdem 41 Bäume, die den Übergang zum gegenüberliegenden Großen Tiergarten ebnen sollen.

Ein Gefühl für die Vergangenheit entwickeln

Zwischen den als Raster angeordneten Betonstelen ziehen sich auf der gewellten Grundfläche knapp einen Meter schmale Gänge. Der Besucher taucht beim Eindringen in das Innere des Denkmals immer tiefer in die beengende Welt aus Pfeilern ein. Die engen, unebenen Gassen lassen es nicht zu, dass zwei Personen nebeneinander das Mahnmal begehen können. Jede Person muss sich allein mit dem Gefühl der Verunsicherung auseinandersetzen, dass der scheinbar schwankende Boden zusammen mit den merklich geneigten Stelen zu erzeugen versucht.

Im Tal des Denkmals sind die Geräusche der Metropole merkwürdig gedämmt und lassen die Orientierung und Sicherheit beim Erkunder zusätzlich schwinden. Die erstaunliche Akustik schafft den Eindrücken Platz und sorgt für eine bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen Gedanken rund um die denkmalschaffenden Geschehnisse der Vergangenheit.

Für behinderte Besucher, insbesondere auf den Rollstuhl angewiesene, gibt es markierte Passagen durch das Stelenfeld. Das ständig offene Gelände besitzt keinen Eingang, sondern kann von allen Seiten jederzeit betreten werden. Bei Dunkelheit wird es von 180 ebenerdig im quadratischen Pflaster eingelassenen Beleuchtungskörpern erhellt.

Das vom Architekten Peter Eisenman und Bildhauer Richard Serra entworfene Mahnmal setzt eine radikale Auseinandersetzung mit der herkömmlichen Definition eines Denkmals voraus. Eisenman hat bewusst Freiraum für eigene Deutungen gelassen, was ihm jedoch von Kritikern genauso zum Vorwurf gemacht wird, wie die von einigen empfundene Eintönigkeit des Denkmals.

Die Zahl der Stelen ergibt sich aus der zur Verfügung stehenden Fläche für das Denkmal und hat keine symbolische Bedeutung. Verschiedene Deutungen sprechen den Stelen Ähnlichkeiten mit Grabsteinen und den Sarkophaggräbern auf jüdischen Friedhöfen zu. Der Förderkreis des Denkmals für die ermordeten Juden verglich es mit Kriegerdenkmälern und Soldatenfriedhöfen, weil die meisten der getöteten Juden kein eigenes Grab haben. Die graue Farbe der Stelen soll einigen Auslegungen nach an die Asche der Opfer erinnern, die zumeist auf Feldern, Gewässern und Wiesen verstreut wurde. Eisenman selbst bezeichnet sein Holocaustmahnmal als Ort ohne bestimmte Bedeutung.

Gegenwart und Vergangenheit vereinen

Das Denkmal schafft es Gegenwart und Vergangenheit zu vereinen, insbesondere weil es kein Ort sein will, der nur der Trauer dient. Ganz bewusst sprach sich Eisenman für die ganz selbstverständliche Nutzung des Holocaustmahnmals im Alltag aus. Die zum Verweilen einladenden Stelen können für eine kurze Sitzpause genutzt werden und sind für Kinder ein Abenteuerspielplatz. Peter Eisenman sprach bei seiner Eröffnungsrede sogar davon, dass die gefürchteten Graffitis dem Denkmal gut tun würden.

Unter dem Feld aus Stelen befindet sich ein Museum, welches "Ort der Information" genannt wird. Es war im Entwurf der beiden New Yorker nicht vorgesehen, sondern wurde nachträglich darum ergänzt. Auf ca. 800 Quadratmetern Präsentationsfläche soll das Dokumentationszentrum die abstrakte Form der Erinnerung, die das Denkmal vermittelt, durch Informationen zu den Opfern und zu den Orten des Grauens ergänzen.

So werden beispielsweise im Raum der Namen, einem von vier Räumen der Dauerausstellung, Kurzbiografien von Opfern eingeblendet und verlesen. Würden alle bekannten Namen der Opfer dort verlesen, so würde dies erschreckende sechs Jahre, sieben Monate und 27 Tage dauern.

Auf das Stelenfeld wird auch im Ort der Information Bezug genommen. Die Stelen erscheinen als Abdrücke in der Decke und als im Boden beleuchtete Glasplatten. Sie dienen als Informationstafeln und Sitzgelegenheiten. Eisenman kooperierte beim Bau des Museums mit der Architektin Dagmar von Wilcken. Der unterirdische Ort der Information ist kostenlos über Treppen und einen Fahrstuhl innerhalb des Areals zugänglich.

Lea Rosh: Initiatorin des Denkmals

Die Idee für das Denkmal hatte die Publizistin Lea Rosh bereits 1988, nachdem sie mit dem Historiker Eberhard Jäckel die israelische Holocaustgedenkstätte Yad Vashem besucht hatte. Sie gründete einen Förderkreis und konnte sich schnell über zunehmende Unterstützung freuen. 1994 wurde ein Wettbewerb ausgerufen, bei dem Christine Jackob-Marks Entwurf einer 20.000 Quadratmeter großen, schiefen Betonebene mit eingemeißelten Namen der Opfer gewann.

Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl lehnte den Entwurf jedoch 1995 ab. Bei einem erneuten Wettbewerb 1997 gewann schließlich Eisenmans und Serras Entwurf, der jedoch noch einige Veränderungen über sich ergehen lassen musste. Richard Serra zog sich 1998 aus dem Projekt zurück, da er sich mit einigen Änderungswünschen nicht einverstanden erklären konnte.

Der Bau des Denkmals wurde am 25. Juni 1999 im Deutschen Bundestag mit großer Mehrheit beschlossen. Für seine Errichtung samt Museum wurden 54 Millionen Deutsche Mark eingeplant. 900.000 Euro davon konnten bis 2005 durch Spenden von Privatpersonen finanziert werden. Der Bau begann nach Verzögerungen am 1. April 2003.

Für eine Bauunterbrechung sorgte zwischenzeitlich die Beteiligung der Degussa AG, die den Anti-Graffiti-Schutz lieferte. Das Unternehmen Degesch, eine Tochter der Degussa, hatte im Nationalsozialismus das Giftgas Zyklon B hergestellt, mit dem zahlreiche Juden in den Konzentrationslagern vergast wurden. Die Denkmalinitiatorin Lea Rosh wollte Degussa mit sofortiger Wirkung vom Bauvorhaben ausschießen, letztlich beschloss das Kuratorium jedoch den Weiterbau unter Beteiligung der Degussa, nicht zuletzt, weil das Unternehmen seine Vergangenheit vorbildlich aufgearbeitet hat und zudem über ein Tochterunternehmen bereits einen Betonverflüssiger für das Denkmal lieferte.

Am 12. Juni 2004 wurde der Rohbau des Dokumentationszentrums fertiggestellt und die Hälfte der 2.711 Stelen stand, so dass Richtfest gefeiert werden konnte. Erstmals war es der Öffentlichkeit möglich, einen Teil des Areals zu begehen. Am 15. Dezember 2004 wurden im Rahmen eines offiziellen Festakts die letzten noch fehlenden Betonpfeiler gesetzt. Das Denkmal wurde samt Ort der Information am 10. Mai 2005 feierlich eingeweiht, zwei Tage später war es für die Öffentlichkeit zugänglich. Im ersten Jahr besuchten bereits 3,5 Millionen Menschen das Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Leider kam es in den Jahren nach der Eröffnung auch immer wieder zu Beschädigungen durch Anhänger rechtsextremer Gruppen.

Letztlich wurden insgesamt 27,6 Millionen Euro aus Mitteln des Bundeshaushalts für das gesamte Denkmal ausgegeben. Das Gründstück mit einem Wert von ca. 40 Millionen Euro wurde vom Bund kostenlos zur Verfügung gestellt.

Im Garten des Jüdischen Museums in Berlin steht ein kleines Säulenfeld, welches ebenfalls das Gefühl eines schwankenden Bodens vermitteln soll. Die Ähnlichkeit zwischen dem sogenannten Garten des Exils und dem damals im Bau befindlichen Stelenfeld veranlasste den Architekten Daniel Libeskind zu Plagiatsvorwürfen. Der Streit konnte jedoch beigelegt werden.

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April bis September
10:00 - 20:00 Uhr (letzter Einlass: 19:15 Uhr, montags geschlossen)
Oktober bis März
10:00 - 19:00 Uhr (letzter Einlass: 18:15 Uhr, montags geschlossen)

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